Dieser Roman interessierte mich für meine Jury-Arbeit der Stuttgarter Kriminächte und ich bedanke mich beim Kiepenheuer & Witsch Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Der Inhalt

Dieser Krimi setzt den Vorgängerband „Sommer bei Nacht“ nahtlos fort und der Verlag beschreibt den Inhalt so:

„Gerade hat das Ermittlerteam um Ben Neven und Christian Sandner ein entführtes Kind befreien und einen der Täter fassen können. Allerdings läuft eine interne Untersuchung an, weil Ben dabei einen der Entführer erschossen hat – da wird klar, dass der Fall eine noch weit größere Dimension hat. Die Polizisten finden Hinweise, dass es ein ganzes Netzwerk von Tätern gibt, die sich gegenseitig im Internet austauschen – kurz danach wird einer von ihnen ermordet. Auch der Verdächtige in Untersuchungshaft stirbt auf rätselhafte Art und Weise. Irgendwann wird klar: nicht nur die Polizei, auch frühere Opfer sind wohl auf das Netzwerk gestoßen – und nehmen jetzt Rache.

Die Ermittler finden sich in der paradoxen Situation wieder, dass sie einerseits gegen Verbrecher ermitteln, deren Taten in ihnen eine tiefe Verstörung auslösen – und dass sie diese Täter gleichzeitig vor einer unbekannten Bedrohung schützen müssen.

Und ausgerechnet der Polizist, in dem viele seiner Kollegen einen Helden sehen, bewahrt ein Geheimnis, vor dem er sich selbst entsetzt …“ (© Kiepenheuer & Witsch)

Meine Meinung

Dieser Krimi hat es in sich, denn mit ihm tauchen die Leser:innen tief ein in das Thema des sexuallen Missbrauchs von Kindern und manchmal habe ich mir tatsächlich überlegt, ob ich mir das wirklich weiter antun möchte. Gleichzeitig entfaltet er einen unglaublichen Sog und ich habe ihn in sehr kurzer Zeit durchgelesen. Auch dieses Mal sind es verschiedene Erzählperspektiven, aus denen Jan Costin Wagner ein vielschichtiges Bild zusammensetzt: Wir erhalten tiefen Einblick in die Seelen der beiden Ermittler Ben Neven und Christian Sandner, aber auch in die von Opfern und Tätern. Wie bei Wagner oft, ist eine der Stimmen auch die des Täters und hier hält er am Ende eine Überraschung bereit. Diese Vielsprachigkeit fand ich in diesem Band sehr viel gelungener als im Vorgängerband, und verbunden mit einer ausgesprochen empathischen Schreibweise kamen mir die Personen dieses Mal viel näher als im Vorgängerband.

Im Laufe des Romans tun sich Abgründe auf, in die ich lieber nicht geschaut hätte. Dabei verzichtet der Autor auf explizite Beschreibungen und trotzdem erfasst man das ganze Grauen, das den Kindern zugefügt wird und an deren Folgen sie ihr Leben lang leiden. Auch die Ermittler schleppen ihre Schicksale mit sich, ganz besonders Ben Neven, der, obwohl selbst ein liebevoller Vater, immer wieder gegen seine Neigungen gegenüber Jungen kämpfen muss. Wie schon im Band zuvor wird er eine Grenze überschreiten.

Angelehnt ist der Krimi an den Missbrauchsfall Lüdge. „Am roten Strand“ heißt der Campingplatz, an dem das Ungeheuerliche stattfand. Ein scheinbar unauffälliger Ort, an dem niemand so etwas vermutet hätte. So wie auch der zweite Tatort, eine Gartenhütte, in der das erste Mordopfer eine hochkomplexe digitale Infrastruktur aufgebaut hat, eine Plattform im Darknet, über die die Männer sich vernetzen, über ihre Opfer austauschen und sie weiter vermitteln können. Diese alltäglichen Plätze stehen sinnbildhaft für die unbegreiflichen Taten, denen Kinder ausgesetzt sein können, ohne daß ihr Umfeld es mitbekommt.

Fazit: Ein packender und sehr gut geschriebener Roman, manchmal schwer erträglich, der ein hochaktuelles Thema auf sehr empathische Weise aufgreift. Absolute Leseempfehlung!

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