Von Jan Costin Wagner habe ich drei der Kimmo Joentaa Romane gelesen und war nun sehr gespannt, wie der neue Kriminalroman von ihm ist, der in Deutschland spielt und in dem er ein neues Ermittlerpaar vorstellt. Ich bedanke mich beim Kiepenheuer & Witsch Verlag, der mir für meine Arbeit in der Jury des Stuttgarter Krimipreises ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte.
An einem heißen Sommertag wird ein kleiner Junge vom Flohmarkt der Grundschule entführt – er wollte sein Piratenschiff abgeben, damit ein anderes Kind so viel Freude daran haben kann wie er. Nur wenige Minuten sollte das dauern und die reichen, daß er spurlos verschwindet. Christian Sandner und Ben Neven werden mit den Ermittlungen betraut und sie haben nur wenige Anhaltspunkte: Zeugen sahen einen Mann, der Jannis einen Teddybären schenkte, auf einem verschwommenen Video aus einem Parkhaus sieht man den Entführer mit dem Jungen. Kurz danach stellt das Ermittlerteam einen Zusammenhang mit einem weiteren Entführungsfall in Österreich fest, in dem ebenfalls ein Teddybär zum Einsatz kam. Der Fall führt die beiden Kommissare an ihre Grenzen.
Ich gebe zu, zu Beginn war ich nicht besonders begeistert von diesem Roman. Ich kannte es von früheren Kriminalromanen des Autors, daß er verschiedene Handlungsebenen einsetzt, die sich nach und nach miteinander verbinden. In diesem Roman sind es jedoch eher Splitter verschiedener Perspektiven, die jeweils über 1 – 2, maximal 3 Seiten gehen. Dazu kommt, daß es insgesamt 14 Personen sind, in deren Gedankenwelt und Erleben wir, manchmal nur ein einziges Mal, hineinschauen. Darunter ist auch der Täter. Das machte mir die Lektüre zu Beginn schwer, erst ungefähr zur Hälfte des Buches kam ich langsam hinein in das Geflecht, das Jan Costin Wagner im Laufe des Buches immer dichter flicht.
Am intensivsten lernen wir natürlich die beiden Kommissare kennen, die beide mit sich zu kämpfen haben: Christian mit einem traumatischen Verlust in seiner Jugend, Ben mit einer verborgenen pädophilen Neigung. Bei Ermittlungen in einem früheren Fall sicherte er sich einen Stick mit Jungenbildern, die er sich manchmal heimlich anschaut, um sich zu befriedigen. Christian kann sich im Laufe dieser heißen Sommertage einer Frau anvertrauen, die ihm zuhört. Was als zufälliges Treffen begann, wird für beide am Ende zu einer Befreiung. Ben hingegen hat diese dunkle Seite, aber dennoch ist er mir nicht unsympathisch gewesen. Er ist seiner Frau zugetan und liebt seine Tochter. Dabei ist es, wie Wagner in einem Interview erklärt, nicht seine Absicht, irgend etwas zu erklären, vieles ist auch nicht auserzählt, ganz besonders bei Ben. Aber auch er versucht, so habe ich es zumindest empfunden, am Ende, sich zu befreien.
Diese Art des Erzählens hat bei mir dazu geführt, daß ich den Figuren sehr distanziert gegenüber geblieben bin, wirklich emotional gepackt haben mich nur zwei oder drei Szenen des Buches. Trotzdem ist es ein Buch, von dem mir etwas geblieben ist, über das ich immer wieder nachdenke. Und das ist vermutlich genau das, was Jan Costin Wagner damit erreichen wollte.
Fazit: Ein komplexer, dichter und literarisch anspruchsvoller Roman, der weit über einen Kriminalroman hinausgeht.
Hier können Sie in’s Buch reinlesen
Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Die Links führen direkt in die jeweiligen Webshops.