Dieses Buch habe ich in einem öffentlichen Bücherschrank entdeckt und gleich mitgenommen. Zum einen, weil mich das Thema interessiert, zum anderen, weil ich den Roman „Bella Germania“ vor einigen Jahren sehr gerne gelesen habe. Der Roman ist übrigens eine Fortsetzung von „Piccola Sicilia“, es ist aber gut möglich, ihn zu lesen, auch wenn man, so wie ich, den Vorgängerband nicht kennt.

Ausgangspunkt des Romans ist eine Erbschaft: Moritz Reincke, der sich in seiner Garage umgebracht hat, vererbt seine Villa in Palermo 3 Personen: Seiner Enkelin Nina aus Berlin, seiner Tochter Joelle aus Frankreich und seinem Sohn Elias. 3 Menschen, die miteinander verwandt sind, mit ganz unterschiedlichen Familienwurzeln, denn Moritz hat 3 Frauen geliebt: Anita, eine Deutsche, Yasmina, eine Jüdin und Amal, eine Palästinenserin. Alle drei wussten nichts voneinander, ihre Nachkommen müssen sich jetzt der schillernden Vergangenheit eines Menschen stellen, der niemandem die ganze Wahrheit erzählte.

Daniel Speck verbindet in diesem Roman die wechselvolle, konfliktreiche Geschichte der Deutschen, Israeli und Palästinenser. Wie schon in Bella Germania merkte ich, dass er ein erfahrener Drehbuchautor ist, der die verschiedenen Handlungsfäden souverän miteinander verbindet. In Rückblenden lesen wir von der Staatsgründung Israels – mal aus der Perspektive von Moritz‘ bzw. Maurice’s, wie er sich jetzt nennt, jüdischer Familie, mal aus der Perspektive von Amal, der Frau die er erst viele Jahre später kennenlernen und lieben wird. Die Atmosphäre in der Jaffa Road, der Strasse, in der Amal und ihre Familie leben, wird sehr gut beschrieben. Man riecht die Düfte und sieht das Mmenschengewimmel auf den Straßen – Juden und Araber gemischt, die vor 1948 noch in guter Nachbarschaft miteinander lebten. Nach der Staatsgründung wurden die arabischen Bewohner vertrieben und jüdische Familien, die aus Deutschland oder anderen Ländern nach Israel gekommen waren, in den leerstehenden Wohnungen und Häusern einquartiert. Wie Daniel Speck davon und dem nachfolgenden Krieg erzählt, fand ich spannend und berührend, denn wieder einmal wurde mir die Aussichtslosigkeit bewusst, dass es in dieser Region jemals Frieden geben wird. Zu viel Ballast schleppen Juden und Palästinenser mit sich, die beide letztendlich Opfer verfehlter Kolonialpolitik sind, vom Holocaust ganz zu schweigen.

Weniger überzeugend fand ich die Figur des Moritz, eines Mannes, der „Gutes tun will, aber sich tragisch in Schuld verstrickt“ wie es der Autor in einem Interview hinten im Buch beschreibt. Er lässt sich ein Stück weit vom Schicksal treiben, weicht in entscheidenden Situationen aus oder taucht ab. Das hängt natürlich auch mit seiner Vergangenheit zusammen: Käme heraus, dass er als deutscher Soldat für die Wehrmacht gekämpft hat, würde er seine jüdische Familie verlieren. Seine deutsche Frau hat ihn für tot erklären lassen und Amal, die späte Liebe seines Lebens erfährt auch nicht, wer er eigentlich ist.

Im dritten Teil des Buches landen wir dann im München der 1970er Jahre. Moritz hat sich vom Geheimdienst anwerben lassen – zwangsweise, denn man hätte ihn sonst auffliegen lassen. Hier lernt er dann auch Amal kennen und wird verwickelt in das Attentat bei den Olympischen Spielen in München.

Ich gebe zu: Hier bin ich dann fast ausgestiegen, denn da hat der Autor für meinen Geschmack einfach zu viel gewollt. Die Geschichte eines Mannes, der zwei Familien hat, konnte ich noch nachvollziehen, in diesen ersten beiden Dritteln hat der Roman für mich gestimmt, aber diese dritte Ebene war mir dann einfach zuviel und machte die Geschichte unglaubwürdig.

Fazit: Hätte der Autor das letzte Drittel des Romans einfach weglassen, dann wäre es für mich eine runde Sache gewesen. So bleibt ein schaler Nachgeschmack. Schade!

Wenn Sie sich einen Eindruck von Stil und Sprache des Buches machen möchten, finden Sie hier eine Leseprobe

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