Client: Anita Augustin

Ist dieses Buch ein Kriminalroman? Vom Inhalt her könnte man das meinen:

Cornelia Karl führt ein zufriedenes Durchschnittsleben als berufstätige Frau und alleinerziehende Mutter. Dieses Leben endet jäh, als ihre zwölfjährige Tochter Elli spurlos verschwindet. Die polizeiliche Fahndung bleibt ergebnislos, der Fall landet bei den Akten. Ihre Trauer um Elli verwandelt sich in ein explosives Gemisch aus Wut, Trotz, Sarkasmus und Skrupellosigkeit. Sie beschließt, ihre Tochter im Alleingang zu finden, koste es, was es wolle. Die erste heiße Spur führt zu einem Sexualtherapeuten, der pädophile Männer behandelt. Cornelia Karl beginnt eine Affäre mit ihm, und die Suche wird zu einem aberwitzigen Spiel rund um Liebe, Lüge und die Macht der Hoffnung. (© Leykam Verlag)

Aufmerksam geworden war ich auf das Buch bei einer Beiratssitzung der Stuttgarter Kriminächte. Wir gaben und gegenseitig Tipps und irgendjemand las die ersten Sätze des Prologs vor: „Wie es aussieht, habe ich meinen Humor verloren. Wie es aussieht, muss ich mir einen neuen Humor suchen, weil der alte unauffindbar ist, sehr schade, es war ein guter Humor, das können Sie mir glauben, und wenn Ihnen zufällig ein herrenloser Humor über den Weg läuft, der nach seinem Frauchen sucht, dann rufen Sie mich an, hier meine Nummer: 0815.“ (S.7) Das reizte mich und ich wollte genauer wissen, wie die Autorin mit einem so schwierigen Thema wie Pädophilie umgeht.

Wir lesen diese Geschichte aus 3 Perspektiven: Cornelia, die alleinerziehende Mutter, die als Apothekerin arbeitet und deren Tochter Elli nach Ansicht der vernehmenden Beamtin des BKA zu wenige beaufsichtigt wird. Cornelia sieht das anders, schließlich ist Elli 12, hat einen Freud und ein eigenes Handy, mit dem sie die Mutter jederzeit erreichen kann und ist viel auf Achse. Sie entschließt sich, nachdem die Polizei ihr erklärt hat, die Suche nach dem Sugardaddy ihrer Tochter sei aussichtslos, selbst zu suchen.

Viktor ist der Mann, den sie sucht, aber das wissen nur wir. Aus seiner Perspektive lesen wir, wie sein Leben aussieht: Er arbeitet als Komparse beim Film, Spezialgebiet sterben: Mal ist es ein Unfall, mal Mord oder er ist die Leiche, die auf dem Seziertisch liegt. Und er macht eine Therapie mit dem Ziel, eine Frau zu finden, mit der er ein normales Leben führen kann.

Diese Therapie macht er bei Frank, einem Sexualtherapeut mit Spezialisierung auf Pädophilie. Er ist verheiratet, hat aber (mit Wissen seiner Frau) ein Verhältnis. Er kennt seine Geliebte nur unter dem Namen Karl, weiß nicht wo sie lebt und kann nur über Whats App Kontakt mit ihr aufnehmen. Jeden Samstag treffen sich beide in einem Jagdhaus und bei diesen Treffen erzählt Frank auch von seinen „Gentlemen“, der Männergruppe Pädophiler, die er behandelt.

Der Reiz bei der Lektüre lag für mich in der raffinierten Konstruktion: Ich wusste stets mehr, als die 3 Hauptfiguren, die Spannung lag darin, was Cornelia letzten Endes mit ihren Erkenntnissen tun wird. Außerdem ermöglichte diese Erzählweise Einblicke in das Seelenleben aller 3 Beteiligten und, das hat der Roman mit der Reihe von Jan Costin Wagner gemein, vermeidet so eine Reduzierung des komplexen Themas auf bloße Schwarzweißmalerei. Dazu kommt noch ein wirklich schräger Humor.

Der Epilog am Ende des Buches driftet dann ab in eine vollkommen surreale, fantastische Theaterwelt und ließ mich etwas ratlos zurück. Ich kann mir vorstellen, was Anita Augustin ihren Leser:innen da noch erzählen will, habe allerdings keine Ahnung, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.

Fazit: Ein ungewöhnliches Buch, eher ein Gesellschaftsroman und definitiv kein klassischer Kriminalroman. Dazu ist es ganz beosnders gestaltet, mit einem aparten Buchschnitt – nur was sich der Leykam Verlag bei der Kombination von Cover- und Schriftfarbe gedacht hat, wird sein Geheimnis bleiben.

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es im Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Der Link führt direkt zum Titel im Webshop.

Eine Leseprobe, in der Sie sich einen Eindruck vom Stil des Buches machen können, finden Sie hier