Ein Thriller, der in der Zeit des Kalten Krieges spielt – das katapultierte mich zurück in meine Jugend, als ich derlei Bücher verschlang. Viele reine Spannungsthriller (Alistair McLean, Jack Higgins und andere), aber auch John LeCarré. Sofort erschien das Cover von „Der Spion der aus der Kälte kam“ (Rowohlt-Thriller) vor meinem inneren Auge und ich fand mich wieder im Haus meines Opas, in dessen Bibliothek ich das Buch gefunden hatte. Ich las es – und war enttäuscht: Zu wenig Action, zu unverständlich war es mir damals. Erst bei der zweiten Lektüre, als ich etwas älter war, erschloss ich mir die Spannung und ich las weitere Thriller des Großmeisters der Agententhriller.

Aber, so fragte ich mich, wieso schreibt heute, 2023, jemand einen Thriller, der im Kalten Krieg spielt? Was kann da noch Neues kommen? Ein Blick in mein Thriller-Regal zeigte mir, dass ich offensichtlich abgeschlossen hatte mit dem Thema: Die Bücher von LeCarré und Co waren beim Umzug vor 3 Jahren aussortiert worden.

Aber natürlich wollte ich das Buch unbedingt lesen und schon nach wenigen Seiten war ich wieder ganz tief drin in der Welt der Agenten und der Ost-West-Konfrontation.

Über den Inhalt kann und will ich gar nicht viel schreiben, denn das hieße, womöglich zu viel zu verraten. Deshalb nur ganz kurz: Auf der Glienicker Brücke soll 1983 ein Agentenaustausch stattfinden: Ein ranghoher KGB-Offizier mit dem Decknamen Pilger soll gegen den in den USA zum Tode verurteilten Sohn eines hochrangigen Mitglieds des sowjetischen Politbüros ausgetauscht werden. Es gibt nur eine Person, die Pilger persönlich kennt und identifizieren kann: Seine ehemalige Führungsoffizierin Nina Winter. Der Austausch scheint fast perfekt, als die Brücke in die Luft fliegt…….

Im Wechsel zwischen Rückblenden und Gegenwart wird nun erzählt, wie Nina von der Analystin am Schreibtisch zur wichtigsten Agentin des BND wird. Es ist die Zeit, in der die Olympischen Spiele in Moskau, die die Überlegenheit der sozialistischen Sportler demonstrieren sollten vom Westen boykottiert wurden. Es ist die Zeit, in der die Sowjetunion und die NATO nuklear aufrüsten und im Westen die Friedensbewegung an Bedeutung gewinnt. Und es ist die Zeit in der die Sowjetunion Afghanistan besetzt hält. Als Leserin war ich hautnah dabei, wie Nina das 1×1 Überlebens für Agent:innen erlernt, aber auch wie gefährlich ihr Leben trotz der Topausbildung wird: Sie lernt in Moskau schnell, niemandem zu vertrauen und obwohl sie immer besser im Abschütteln der omnipräsenten Beschatter des KGB wird, macht sie sich einen Todfeind.

Andreas Pflüger steigert die Spannung von Seite zu Seite und wechselt dabei geschickt zwischen den beiden Zeitperspektiven hin und her. Es gelingt ihm hervorragend, das Moskau der 80er Jahre zu beschreiben, die grauen, tristen Gebäude, die Entbehrungen, die die Bevölkerung ertragen muss, aber auch, wie man sich daran gewöhnen kann. Als Nina einmal für kurze Zeit wieder im Westen ist, fühlt sie sich zunächst ganz fremd im Glanz und Luxus, der sie umgibt. Wie es sich für einen Agententhriller gehört, gibt es bis zur letzten Seite zahlreiche Wendungen, denen ich nicht immer sofort folgen konnte. Und aus Nina wird gegen Ende des Buches eine ebenso gnadenlose Agentin wie es ihr Gegenspieler ist.

Kann da noch was Neues kommen – das war meine Frage an diesen Thriller gewesen und ich antworte mit einem klaren ja! Denn Andreas Pflüger schreibt seinen Thriller aus der Perspektive und mit dem Wissen eines Autoren des 21. Jahrhunderts. Und das unterscheidet ihn von seinen Kollegen der 70er du 80er Jahre, die zwar manches vermuten, aber nicht wissen konnten. Sein Roman hat zudem eine bestürzende Aktualität bekommen durch den Überfall Russlands auf die Ukraine. In seinem Nachwort schreibt Pflüger: „Beim Schreiben habe ich mir gewünscht, es gäbe weniger Analogien zwischen dem heutigen Russland und der damaligen Sowjetunion. Putin ist beides: eine Hofschranze der Lubjanka und der Mann, der den KGB wieder an die Macht brachte.“

Fazit: Spannend, überraschend, aufschlussreich – ein toller Thriller! Unbedingt lesen!

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es im Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Der Link führt direkt zum Titel im Webshop.