Die Krimis von Helga Glaesener um die weibliche Kriminalpolizei im Hamburg Ende der 1920er Jahre haben mir gut gefallen und so war ich auf die neue Reihe von Lea Stein um die weibliche Schutzpolizistin Lea Rabe gespannt, die 1947 in Hamburg spielt. Ich bedanke mich beim Heyne Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Der Verlag beschreibt den Inhalt so: „Hamburg, 1947. Nach nur wenigen Wochen Ausbildung tritt Ida Rabe ihre erste Stelle als Polizistin an. Mitten auf St. Pauli, in der Davidwache, soll sie die neu gegründete Weibliche Polizei verstärken. Und schon bald bekommt sie viel zu tun: Im nachkriegszerbombten Hamburg trifft man das Elend an jeder Ecke – in Form von Bettlern, Prostituierten und stehlenden Kindern. Als eine Frau im Umland tot aufgefunden wird, grausam verstümmelt und mit aufgeschnittenem Unterleib, scheint sich niemand besonders für den Fall zu interessieren. Doch Ida, deren eigene dunkle Vergangenheit mit der Unterwelt Hamburgs verschlungen ist, macht sich auf die Suche nach dem Täter. Bald ist klar: In Hamburg geht ein Monster um. Und um es zu fassen, muss Ida ihm gefährlich nahe kommen.“ (© Heyne Verlag)

Ich habe diesen Krimi gerne gelesen, vor allem, weil der historische Hintergund gut eingefangen ist. Ida Rabe ist nicht in der Weiblichen Kriminalpolizei, wie die Ermittlerin in Helga Glaeseners Romanen, sondern in der Weiblichen Schutzpolizei, die von der britischen Militärregierung 1945 nach dem Vorbild nach dem Vorbild von Scotland Yard eingeführt worden war. Die Frauen, die ihr angehörten, hatten eine 2-monatige Blitzausbildung hinter sich, die sie auf ihre Aufgaben vorbereiten sollten: Diese lagen im Bereich von Straftaten von Frauen, Sittlichkeitsdelikten und in der Verfolgung von Straftaten Jugendlicher – die Aufklärung von Mordfällen gehörte natürlich nicht dazu. Ebenso durften die Polizistinnen keine Waffen tragen oder gar einen Streifenwagen fahren.

Gleich an ihrem ersten Arbeitstag gerät Ida Rabe nicht nur mit ihren männlichen Kollegen, sondern auch mit ihrer englischen Vorgesetzten aneineinander. Zudem ist ihre Kollegin Heide Brasch eher zurückhaltend und schüchtern, die forsche Wesensart von Ida schreckt sie ab. Wie sie ihre Aufgabe, Protokolle zu führen wahrnehmen soll, ist ihr auch nicht so recht klar, denn es gibt kein Papier. Aber sie liest in diesen Gesprächsprotokollen mehrere Aussagen von Frauen, die offensichtlich vergewaltigt wurden. Niemand scheint sich jedoch dafür zu interessieren. Als sie dann bei ihrem ersten Einsatz nicht nur mit ihrer düsteren Vergangenheit konfrontiert wird, sondern auch einen Hinweis auf ein Monster erhält, geht sie dem nach – natürlich gegen jede Vorschrift.

Lea Stein ist das Pseudonym der Journalistin Kerstin Sgonina, die bereits mehrere Romane veröffentlichte. Ihr gelingt es gut, die Atmosphäre im Hamburg der Nachkriegszeit einzufangen. So wohnt Ida Rabe in einem Zimmer, das sie sich mit einer anderen Frau teilen muss, lediglich ein durch den Raum gespanntes Tuch schafft ein wenig Privatsphäre. Kälte und Hunger sind allgegenwärtig, Hamstern ist verboten, doch den Menschen bleibt gar nichts anderes übrig, als es im Umland zu versuchen, auch wenn die Gefahr groß ist, gefasst zu werden und alles zu verlieren. Auch die Kinder, die immer wieder auf der Wache bei Ida und Heide landen, sind meist verwahrlost und versuchen, auf dem Schwarzmarkt zu Geld oder Essen zu kommen. Gleichzeitig kämpfen die Polizistinnen gegen die Vorurteile ihrer männlichen Kollegen, die sie durchaus auch immer wieder ins offene Messer rennen lassen.

In einem Interview sagt Ida Stein über das Vorbild ihrer Ida Rabe: „Das war Hamburgs sogenannte Mutter aller Polizistinnen. Sie hieß Rosamunde Pietsch und ist 2016 verstorben, da war sie schon 101 Jahre alt. Sie war wie Ida sehr groß und wurde auch direkt nach dem Krieg von den Briten zur Schutzpolizistin ausgebildet. In den 1950er-Jahren übernahm sie dann die Leitung der weiblichen Schutzpolizei in Hamburg.“

Die Autorin schildert die Geschichte überwiegend aus der Sicht von Ida, es gibt aber noch eine zweite Perspektive, in der eine andere Stimme zu Wort kommt. Ziemlich schnell wird klar, dass sie irgendetwas mit den Verbrechen zu tun haben muss, aber wie genau ihre Rolle tatsächlich ist und wo das Motiv für die Morde liegt, das wird erst relativ spät klar. So ist für Spannung bis zum Ende gesorgt.

Fazit: Ein spannender historischer Kriminalroman und ein vielversprechender Reihenauftakt.

Wenn Sie sich einen Eindruck vom Stil des Buches machen möchten, finden Sie hier eine Leseprobe.

Wenn Sie den Krimi selbst lesen möchten, können Sie ihn im Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Der Link führt direkt zum Titel im Webshop.