Auf dieses Buch wurde ich aufmerksam, weil es mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 in der Kategorie Jugenbuch ausgezeichnet worden war. Das und der Titel des Buches in Kombination mit dem Thema des Romans machten mich neugierig.
Es ist gar nicht so einfach, zu diesem Buch eine Inhaltsangabe zu schreiben, denn es handelt sich hier um die Erinnerungen von Manja Präkels an ihre Kindheit und Jugend im Ostdeutschland der 80er und 90er Jahre. Wie das oft so ist, bestehen diese Erinnerungen aus vielen kleinen Episoden, die irgendwann ein Gesamtbild ergeben.
Deshalb nur so viel: Präkels Alter Ego Mimi verbringt ihre Kindheit und Jugend in der Brandenburgischen Kleinstadt Zehdenik, die bis 1991 eine Hochburg der Ziegelindustrie war. Mimi erzählt von ihrer auf den ersten Blick idyllischen Kindheit, von ihrer Freundschaft mit Oliver, dem Angeln an der Havel und davon, wie sie beide heimlich und den Tischen der Eltern Schnapskirschen futtern, während die Erwachsenen oberhalb von ihnen bei Schnaps und anderen alkohlischen Getränken diskutieren und feiern. Aber die Stimmung kippt nach der Wende: Die Menschen, die überwiegend in den Ziegeleien beschäftigt waren, verlieren ihre Arbeit. Während Oliver in die rechtsradikale Szene abdriftet, die beginnt, das Städtchen zu beherrschen, gehört Mimi zur eher linksliberalen Szene, die von den Neonazis immer stärker unter Druck gesetzt werden, einer ihrer Freunde verliert bei einem Überfall auf eine Diskothek sogar sein Leben.
Am meisten erfahren wir von Mimi, die uns ihre Geschichte erzählt. Ihr Vater ist Verkaufsstellenleiter, beor er schwer an Diabetes erkrankt und seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Mimis Mutter ist Lehrerin am örtlichen Gymnasium und erzieht Mimi zur überzeugten Sozialistin. Mimi glaubt an die sozialistischen Parolen und wird dadurch zur Außenseiterin in ihrer Klasse. Auch Oliver ist ein Außenseiter, dessen Vater ihn immer wieder schlägt, während die Mutter ihm heimlich Zigaretten zusteckt. Lange Zeit verstehen sich die Beiden gerade deshalb gut, bis Oliver irgendwann beginnt, sich zurückzuziehen – mit einem Mädchen Fussball zu spielen oder zu angeln, das passt nicht mehr. Mitten in die Pubertät platzt die Wende und die Welt in der Stadt steht auf dem Kopf. Mimi schließt sich einer Gruppe liberaler Jugendlicher an, die in Diskotheken und anderen Treffpunkten herumlungern und trinken. Oliver hingegen radikalisiert sich immer mehr und wird zum Anführer einer Neonazigruppe. Unter seinem neuen Namen Hitler sorgt er mit seinen Kumpanen für Angst und Schrecken und wird zum führenden Drogenhändler der Gegend. Niemand wagt es, sich ihm und seiner Bande entgegenzustellen.
Ich hatte schon ein wenig Schwierigkeiten mit diesem Buch. Zwar hat es mir sprachlich recht gut gefallen, aber ich kam nur schwer in die Geschichte rein. Das mag auch daran liegen, daß mir manches Alltagswissen aus dem Leben der ehemaligen DDR fehlt, obwohl ich in meiner Jugend immer wieder einmal dort gewesen bin. Der Roman ist geprägt von einer bedrückenden Atmosphäre. Das liegt zum einen an Mimis familiärer Situation, denn dem Vater geht es im Verlauf der Jahre immer schlechter und das wirkt sich auf das Familienleben aus. Mimi spürt aber irgendwann auch, daß die sozialistischen Parolen nicht mehr passen, wenn Olivers Opa, der als Nazi verpönt ist, auf die Russen schimpft oder die Menschen über Zigeuner oder die Gastarbeiter aus Vietnam oder Mosambique herziehen. Als nach der Wende die Neonazis nach und nach die Stadt beherrschen, war das für mich nicht nur schwer erträglich, sondern ich konnte auch nicht nachvollziehen, warum sich von den Erwachsenen niemand gegen die Jugendlichen zur Wehr setzte. Mimi und ihre Freunde flüchten sich in den Alkohol, was ich ebensowenig nachvollziehen konnte.
Trotzdem habe ich das Buch interessant gefunden, denn ich bekam einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt und in den Alltag der Menschen in der DDR und der Nachwendezeit. Präkel beschreibt die Hilflosigkeit und die Ergebenheit der Menschen, die aus ihrem vertrauten Leben herauskatapultiert werden. Gerade diese Ergebenheit der Erwachsenen konnte Menschen wie Oliver so stark werden lassen, während Jugendliche wie Mimi keinerlei Ankerpunkte unter ihnen fanden.
Fazit: Kein leichtes Buch, das aber ein authentisches und erschreckendes Bild der 80er und 90er Jahr im Osten Deutschlands zeichnet und manches erkärt: Wieso sich dort so viele Menschen unverstanden fühlen oder warum nationalistische und populistische Gruppierungen und Parteien solchen Zulauf haben. Wie allerdings Jugendlich mit diesem Buch zurecht kommen, kann ich kaum beurteilen, womöglich besser als ich!
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Ein interessantes Interview im Deutschlandfunk Kultur mit der Autorin können Sie hier nachlesen bzw. nachhören