Der Sommermarkt der unabhängigen Verlage im Literaturhaus
Das Wetterleuchten gab es dieses Jahr zum 3. Mal und es stand fest, daß ich in diesem Jahr wieder hingehen möchte, nachdem ich das letzte Jahr wegen des Dienstplans in der Buchhandlung passen musste. Wann sonst gibt es die Möglichkeit, die Programme kleiner Verlage so kompakt und nahe beieinander studieren zu können!
Das Wetter spielte mit und so lockten die Stände von über 40 Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht nur in den Innenräumen des Literaturhauses, sondern auch draußen. Liegestühle luden zur Erholung zwischen Lesungen und Standbesuchen ein, auch für Abkühlung war gesorgt.
Für uns hatte das Wetterleuchten bereits am Abend vorher mit einem gemütlichen Grillabend auf der Terrasse begonnen, denn die Verlegerin der edition fünf, Silke Weniger, übernachtete bei uns und wir konnten uns in aller Ruhe über die Entwicklungen der Branche, die Herausforderungen, vor denen gerade die kleineren Verlage stehen und natürlich das aktuelle Buch des Verlags „Bittere Bonbons“ austauschen.
Logisch, daß wir uns aus dem umfangreichen Lesungsprogramm des Marktes gleich die erste Lesung ausgeguckt hatten: Ketino Bachia, eine aus Georgien stammende Autorin des Verlages las einen Auszug ihrer Erzählung „Nanuli“ aus dem Buch „Bittere Bonbons“. Eine Veranstaltung mit einer Verlagsautorin machen zu können, ist etwas besonderes für die edition fünf, denn, so ist es auf der Verlagswebsite zu lesen „Wir verlegen Autorinnen, die wir vermisst haben. Bekannte und unbekannte, vergessene und wiederentdeckte, Klassikerinnen und Debütantinnen, die wichtige Texte zur Tradition weiblichen Schreibens beitragen.“ Und viele dieser Autoinnen leben nicht mehr. Ganz anders im Buch „Bittere Bonbons“, das nun zum Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, Georgien, vorliegt. Mit der Planung und Konzeption des Bandes begann der Verlag bereits vor 4 Jahren und konnte mit Rachel Gratzfeld eine Expertin in Sachen georgischer Literatur gewinnen, denn sie vermittelt als Literaturagentin Manuskripte georgischer Verlage und vertritt auch Autor*innen des Landes wie beispielsweise Nino Haratischwili.
In dem von ihr herausgegebenen, besonders schön gestalteten Buch versammelt sie Erzählungen von dreizehn, nach 1970 geborenen georgischen Autorinnen. Kenita Bachia las einen Auszug aus ihrer Erzählung, in der eine junge Frau aus Georgien in einem langen Gedankenstrom über ihren Weg von Georgien nach Europa sinniert. Daß ein tragisches Ereignis den Ausschlag dazu gab, die Heimat zu verlassen, schimmerte in der gewählten Passage immer wieder durch. Mich hat beeindruckt, daß Ketino Bachia ihre Erzählung auf deutsch geschrieben hat. Die 1970 geborene studierte Sprachwissenschaftlerin und Dolmetscherin kam erst 1996 nach Deutschland. Ihrer Erzählung merkt man das nicht an, so ausgereift ist die Sprache. Beim Vortrag allerdings kam ein starker Akzent zum tragen, der Gegensatz zwischen Text und Vortrag machte mir wieder einmal bewußt, wie schnell man dazu neigen kann, von einem Akzent auf das Sprachvermögen zu schließen.
Während meine Begleitung noch eine weitere Veranstaltung abwarten wollt, zog es mich zu den Verlagsständen. Ich ließ mir etwas über das Programm von Klöpfer und Meyer erzählen und unterhielt mich angeregt mit der Verlegerin des AvivA Verlages, Britta Jürgs, auch sie (wie Silke Weniger) eine BücherFrau.

Britta Jürgs, Verlegerin des AvivA Verlages im Kundengespräch. Voller Begeisterung berichtet sie über eines ihrer Bücher © Susanne Martin
Von ihr erfuhr ich, wie wichtig die Präsenz auf Märkten wie dem Wetterleuchten gerade für die kleinen Verlage ist. Hier kommen sie mit ihren Leserinnen und Lesern direkt in Kontakt und machen ihre Programme sichtbar – in Zeiten, in der immer mehr unabhängige Buchhandlungen aufgeben, ist das ganz überlebensnotwendig. An diesem Stand zückte ich auch das erste Mal meinen Geldbeutel, denn der Titel von Marina Neubert „Khaddisch für Babuschka“, ein Roman, in dem eine junge Frau nach dem Tod der Großmutter beginnt, sich an ihre Kindheit in Lemberg zu erinnern, reizte mich. Britta Jürgs hörte auf einem Festival Auszüge des Manuskripts und bemühte sich sofort um die Rechte an diesem Roman.
Gleich am Nachbartisch erregte das Programm des Diwan Verlages meine Aufmerksamkeit. Ich höre ja immer wieder gerne ein Hörbuch und nutzte gerne die Gelegenheit, mir das Programm des Verlages, der 2016 vom Kultusministerium mit dem Landespreis für ambitionierte kleine Verlage ausgezeichnet wurde, anzusehen. Die Verlegerin Christina Walz legte mir die Produktion „Sissinghurst – Porträt eines Gartens“ an’s Herz, das im Mai 2017 auf der Bestenliste des Hessischen Rundfunks stand und es wanderte auf den Beutestapel.
Letzte (ausführliche) Station meines kleinen Rundgangs war die Auslage des Schweizer BOHEM Verlages, der besondere Bilderbücher verlegt. Hier gab es ein großes Hallo mit der Verlagsvertreterin des Verlages, mit der ich über 30 Jahre hervorragend zusammengearbeitet habe. Wir kennen uns schon aus meiner Zeit bei Lindemanns Buchhandlung in den 80er Jahren und über die vielen Jahre hat sich ein fast freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Natürlich sprachen wir (neben vielem anderen) auch über Bücher und ich verliebte mich sofort in Krokodillo und seinen Weg zur Arbeit. Ganz ohne Worte erzählen zwei junge Italienerinnen, wie Krokodillo, nachdem er sich angekleidet und gefrühstückt hat, durch die Stadt geht, Schaufenster betrachtet, mit der Strassenbahn fährt und schließlich seinen Arbeitsplatz erreicht. Spätestens wenn man dieses Bild betrachtet, wird man in schallendes Gelächter ausbrechen! Ein tolles Bilderbuch, das man mit Kindern ab 3 Jahren anschauen und sich die Geschichte dazu gegenseitig erzählen kann. Klar, daß dieses Buch den Beutestapel komplettieren musste!

Irene Ferchl, Literaturblatt (Moderation), Tina Walz, Diwan Verlag, und Elke Bader, Griot Hörbuchverlag (von links) © Susanne Martin
Nach einer Pause, in der wir uns ganz schwäbisch mit Maultaschen und Kartoffelsalat stärkten, gingen wir noch einmal in den hellen, einladenenden Veranstaltungsraum im ersten Stock. Irene Ferchl, Gründerin und Verlegerin des Literaturblatts sprach mit Elke Bader vom Griot Hörbuchverlag über ihre aktuelle Produktion „Lieber Liebe als Schokolade“. Dieses Hörbuch versammelt 58 Liebesgedichte von der Antike (Platon) bis in die Gegenwart (Clemens J. Setz). Bei der Fülle an Material kann eine Auswahl letztlich nur sehr subjektiv sein und, das ist der Verlegerin ganz besonders wichtig, die Texte müssen auch zur Stimme des Sprechers, in dem Fall Oliver Hermann, passen. Und weil man als Hörer*in die Texte auf sich wirken lassen sollte, folgen auf die Texte Musikstücke aus verschiedenen Epochen. 3 klug ausgewählte Klangbeispiele vermittelten einen schönen Eindruck dieser eindrucksvollen Hörproduktion, bei der übrigens die Verlegerin des Diwan Verlages, Tina Walz, Regie führte.
Natürlich machte ich auch an anderen Verlagsständen Station, blätterte in die Bücher hinein und traf beim Schlendern durch die Gänge so manches bekannte Gesicht. Irgendwann jedoch wurde es zu heiß und auch die Aufnahmekapazität war erreicht. Und so endete unser Besuch am Stand des Verlages, mit dem das Wetterleuchten für uns am Abend vorher begonnen hatten: Bei der edition fünf. Für ein paar Minuten hüteten wir den Stand, damit sich die Verlagsfrauen mit Frischkost und Kaffee versorgen konnten – für mich eine vertraute, von zahlreichen Büchertischen bekannte Perspektive.
Angefüllt mit schönen Anregungen und Eindrücken und mit einer Tasche voller Bücher und Verlagsvorschauen machten wir uns auf den Heimweg. Nächstes Jahr komme ich nach Möglichkeit wieder!
Text und Bilder: Susanne Martin