Rent a Pinguin oder Von der richtigen Umgehensweise mit einem depressiven Königspinguin
Mischa ist ein Pinguin. Nicht irgendein Pinguin, sondern ein stattlicher, zu Depressionen neigender Königspinguin mit einem angeborenen Herzfehler. Und Mischa ist bei einem tierliebenden Menschen namens Viktor untergekommen, der dem Pinguin bereitwillig seine Badewanne mit kaltem Wasser zur Verfügung stellt, seitdem sich der Kiewer Zoo aus Geldmangel gezwungen sah, einen Teil seiner Tiere zu verkaufen. Viktor hingegen ist ein arbeitsloser Kurzgeschichtenschreiber, der sich in seiner Wohnung etwas einsam fühlt, seit ihn seine letzte Freundin verlassen hat. Er ist ein Tagträumer, doch seine Phantasie reicht meist nicht über den Umfang einer Kurzgeschichte hinaus. Aber Mischa-Pinguin, der neue Mitbewohner, braucht Fisch, viel Fisch. Und so bleibt Viktor nichts anderes übrig, als wieder einmal mit seinen literarischen Ergüssen bei den großen Zeitschriften und Zeitungen hausieren zu gehen. Und endlich winkt das Glück! Der Redakteur einer großen Zeitung bietet ihm eine Stelle als freier Mitarbeiter an. Er soll Nachrufe über berühmte Persönlichkeiten verfassen – allerdings im voraus. Denn die Leute, denen die gefühlvollen bis schwulstigen Nekrologe gelten, weilen durchaus noch unter den Lebenden. Viktor schreibt sozusagen nach wie vor für die Schublade – mit dem Unterschied, daß er jetzt gutes Geld verdient. Deshalb hinterfragt er seinen neuen Job auch nicht lange und macht sich eifrig an die Arbeit. Sein Chef ist zufrieden und Mischa-Pinguin bekommt seinen geliebten Fisch. Nach und nach aber kommt Unruhe in Viktors Alltagsleben. Ein Freund seines Chefs, ein Namensvetter von Mischa-Pinguin und deshalb als Mischa-Nicht-Pinguin bezeichnet, erteilt ihm zusätzlich privat den Auftrag für den ein oder anderen Nekrolog. Viktor verdient noch mehr Geld. Aber eines Nachts taucht Mischa-Nicht-Pinguin auf und vertraut Viktor seine vierjährige Tochter Sonja an, da er aus unerfindlichen Gründen untertauchen muß. Nun hat sich Viktors Haushalt plötzlich auf drei Mitglieder erhöht. Sonja liebt Mischa und ist für den Pinguin eine willkommene Beschäftigungstherapeutin. Für Sonja stellt Viktor ein Kindermädchen ein. Jetzt kann er sich ohne schlechtes Gewissen, Mischa oder Sonja zu vernachlässigen, dem Schreiben widmen. Aber nach und nach stellt sich die Frage, was mit Sonjas Vater geschehen ist. Außerdem wurde völlig unerwartet der erste Nachruf abgedruckt, doch Viktor kann sich darüber gar nicht so recht freuen…
Der russische Autor Andrej Kurkow erzählt in leisen Tönen eine wunderbar schräge und melancholische Geschichte über das Leben des einsamen Schriftstellers Viktor, der ungewollt in kriminelle Machenschaften verstrickt wird, und dem nicht weniger einsamen Pinguin, der als heißbegehrter Rent-a-Pinguin auf Beerdigungen quasi seinen eigenen Unterhalt verdient. Und Mischa-Pinguin wächst einem dermaßen ans Herz, daß man insgeheim zu hoffen beginnt, daß sich baldmöglichst ein Zoo gezwungen sehen möge, seine Pinguin-Kolonie zur Adoption freizugeben….