Ich mag ja Junkies. Wahrscheinlich weil ich selbst einer bin. Auch ich finde immer wieder Projekte, in die ich mich Hals über Kopf reinwerfen kann. Übertreibe gerne alles immer ein bisschen, will die Welt bewegen und hänge hin und wieder dem Irrglauben nach, wenn ich nicht funktioniere, bricht sie zusammen, die schöne Welt.
Und weil ich Junkies mag, hat mir Ulrich Kasparick Buch „Notbremse“ wirklich gut gefallen.
Kasparick beschreibt in seinem von ihm selbst als „Patchwork“ beschriebenen Buch, die Fallhöhe vom Politiker-Dasein als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Bildung und Forschung bzw. beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hin zu einer an vielen Stellen wohl recht schmerzhaften Selbsterfahrung, zu den ihn diverse Krankheiten geführt haben. Zu der Fallhöhe musste es natürlich erst mal kommen. In der ehemaligen DDR in einer protestantischen Pfarrersfamilie aufgewachsen, trat er 1989 der SPD bei und gründete mit einem Verein für Erwachsenenbildung, die Keimzelle der Friedrich-Ebert Stiftung in den neuen Bundesländern.
„When the pupil is ready, the teacher will come“
Im Heilungsprozess hat er ZEN entdeckt, übt sich morgendlich in Meditation und im Wahrnehmen der Stille, und ist nach langer Zeit, so kommt es gut beschrieben zum Leser rüber, wieder bei sich angekommen. Mich als Leserin hat es gefreut, dieses Zitat im Buch gefunden zu haben, das mir schon öfters begegnet ist, aber nun weiß ich, dass es aus dem ZEN kommt. Deshalb habe ich mich des Weiteren über die Perlenkette an Literatur gefreut, die Kasparick ausgelegt hat. Texte, die ihn in seinem Selbstfindungsprozess unentbehrlich waren.
Dass der beschriebene Prozess der (wieder-) gefundenen Spiritualität seine Wurzeln in Herkunft und Studium (Theologie) hat, wird in den wenigen aber wunderbar ausgewählten Psalmen deutlich, die unsere Kultur ja auch so hervorgebracht hat. Das mich ansprechende war, dass hier nicht Lehrmeinung vertreten wird, sondern erlebter Glaube und Spiritualität. Und ich denke, um welche Fülle beschneidet sich die (westliche) Menschheit, wenn sie sich weiterhin dieser Dimension beraubt.
Wenn Ulrich Kasparick dann selbst über seine spirituellen Erfahrung spricht, klingt das zum Beispiel so:
„Es ist nichts zu tun. Alles ist getan. Denn diese Kraft, die alles trägt, die alles hervorbringt und zu der alles zurückkehrt, diese Kraft ist vollkommen. Da ist nichts, was wir verbessern oder verändern könnten, denn alles, was ist, besteht ganz und gar aus dieser Kraft.“ –
„Meistens, allerdings, haben wir nicht die geringste Ahnung davon.“
Die Sorge, die Herrn Kasparick umtreibt, ist die Frage, was passiert in einer Welt, die in ihren herausgehobenen Positionen von Menschen geführt wird, die den Kontakt zu ihrem Inneren verloren haben. Da wäre ihm ein Ghandi an der einen oder anderen Stelle lieber, als das, was wir so täglich zu sehen und zu spüren kriegen.
Meine Meinung: Unbedingt Lesen und den Faden aufnehmen, den der Leser und die Leserin übrigens wunderbar in einem auf Facebook geführten Dialog unter dem Titel „Nachtgespräche“ mit dem Autor weiter führen kann.