Ihre Gedichte erinnern an Mascha Kaleko, die Geschichten an Irmgard Keun, und doch zeichnet die Texte von Lili Grün ein ganz eigener Ton aus.
Sie erzählen vom Alltag junger Frauen der 1920er Jahre, von ihren  Sorgen, Nöten und Träumen, mit leichter Hand geschrieben, mit feiner Ironie, humorvoll, gelegentlich auch mit einem bitteren Nachklang und von sanfter Melancholie.
Die kleine Verkäuferin, die am Abend alle Mühsal vergisst, ‚denn dann werden wir kleinen Verkäuferinnen plötzlich alle ganz groß und frei’,   oder die Gewissheit, ‚es gibt ein eigenes Paradies für die Frau’, wo alles umgekehrt ist wie im realen Leben. Die Geschichten erzählen auch mit leiser Ironie von den Schwierigkeiten, eine glückliche Beziehung zu führen, von den Missverständnissen zwischen den Geschlechtern, von den kleinen und großen Macken der Chefs.
Eine wunderbare Lektüre, die nachdenklich und heiter zugleich stimmt, eine lohnende Wiederentdeckung,  die man immer wieder gerne zur Hand nimmt.
Das Buch ist sorgfältig ediert und mit vielen zeitgenössischen Fotografien wunderschön gestaltet, eine kleine bibliophile Kostbarkeit.
Die Schriftstellerin Lili Grün, geboren1904 in Wien, ermordet 1942 im weißrussischen Maly Trostinec war fast vergessen, und es ist beglückend, sie wiederentdecken zu können.  Ihre beiden Romane Herz über Bord (Alles ist Jazz), erschienen 1933, und 1935 Loni in der Großstadt (Zum Theater!) thematisieren ihre eigenen Erfahrungen des Großstadtlebens und ihren Überlebenskampf als Angestellte und Schauspielerin. Beide Romane sind dankenswerterweise  im AvivA-Verlag neu aufgelegt worden.

Eine Gastrezension von Barbara Scholz