Ist das Lieblingsbuch jenes, nach dem man im Laufe seines Lebens häufiger greift und das man wiederholt mit Lust, Gewinn und Begeisterung liest, so trifft das bei mir für Thomas Mann „Der Zauberberg“ zu. Das erste Mal las ich ihn neunzehnjährig und quälte mich durch die seitenlangen Naphta-Settembrini-Dialoge. Bei der zweiten Lektüre war ich vierzig und hatte Erfahrung mit langatmigen Entwicklungsromanen. Das dritte Mal las ich den „Zauberberg“ während eines Ferienaufenthalts in Davos. Das war besonders reizvoll wegen der vielen historischen Örtlichkeiten, die im Roman erwähnt sind, und die der Leser unschwer wiedererkennt; vom Bahnhof Davos Platz über die Schatzalp bis zum Lungensanatorium Berghof en miniature im Davoser Puppenmuseum. Damals war ich fünfundsechzig.
Nicht, dass ich das Buch seither nicht in die Hand genommen hätte. Ich lese immer wieder mit Genuss Teile dieser großartigen Erzählkunst. Besondere Freude bereitet mir, wenn etwas an mein Ohr dringt, zu dem ich sofort eine Assoziation parat habe. So zum Beispiel neulich, als im Radio vom Rückgang der Stöhre in deutschen Gewässern die Rede war und mir sofort die ungebildete Frau Stöhr aus dem „Zauberberg“ einfiel, die achtundzwanzig verschiedene Fischsaucen zubereiten konnte.
„Der Zauberberg“ ist auf jeden Fall das Buch, das ich auf eine einsame Insel, ins Krankenhaus oder auf die Flucht mitnehmen würde.