W. Somerset Maugham war nicht nur Schriftsteller, sondern arbeitete während des ersten Weltkrieges auch für den britischen Geheimdienst. Seine Arbeit als Schriftsteller war die ideale Tarnung und er war in der Schweiz und in Russland tätig. Der Anlass für Jenz Wawrczeck, diese Erzählung in seinem eigenen Hörbuch Verlag Edition Audoba als Hörbuch zu produzieren, war jedoch nicht die Tatsache, daß Maugham auch Geheimagent war, sondern seine Bewunderung für Alfred Hitchcock: 1936 verfilmte dieser unter dem Titel „Secret Agent“ zwei Ashenden – Erzählungen, eine davon war „Der Verräter“.

Der Inhalt

Ashenden wird von seinem Vorgesetzten R. in die Schweiz geschickt: Er soll in Luzern einen Engländer namens Caypor beobachten, der unter dem Verdacht steht, für die Deutschen zu arbeiten. Ein junger Spanier, der kurz zuvor als Agent gewonnen worden war, wurde von Caypor an die Deutschen verraten und erschossen. Ashenden soll dafür sorgen, daß er dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Die Hauptpersonen

Ashendens Legende gibt ihn als Mitarbeiter der Dekodierungsbehörde aus, der sich von einer längeren Krankheit erholen muss. Seine Rolle besteht hauptsächlich darin, Caypor und seine Frau zu beobachten, die im selben Hotel wohnen wie er, und sich mit dem Ehepaar anzufreunden. Unter dem Vorwand, bei Caypors deutscher Frau Konversationsunterricht zu nehmen, gelingt ihm dies auch, obwohl Frau Caypor die Engländer hasst und ihm gegenüber sehr abweisend auftritt. Caypor selbst gibt sich als Journalist aus und pflegt ein Image als Pflanzenliebhaber und liebender Ehemann, der seiner Frau zuliebe sein Heimatland verlassen hat. In Wirklichkeit jedoch erhält er vom deutschen Major P. eine regelmäßige monatliche Zuwendung. Das Ehepaar durchstreift die Schweizer Berge mit seinem Hund und schwärmt für die üppige Alpenflora. Es wird dabei begleitet von seinem Hund Fritzi, den es liebt wie ein Kind, auch sind sich die beiden Ehepartner, wie Ashenden erkennt, in tiefer Liebe zugetan. Alles scheint ganz harmlos, bis zu dem Tag, an dem Caypor nach England reisen muss….

Meine Meinung

Der Erfinder von James Bond, Ian Fleming, hat sich für seinen ersten Band mit Erzählungen von Maughams Erzählstil beeinflussen lassen. Dennoch ist die Geschichte weit von dem entfernt, was man von einem Spionagethriller erwarten würde. Eigentlich passiert nämlich nicht viel: Ashenden beobachtet in erster Linie seine Zielperson und versucht sich ein Bild von ihm zu machen. Was genau sein Auftrag ist, wird nicht erwähnt und auch Ashenden selbst erkennt die raffinierte Falle, die R. mit seiner Hilfe Caypor stellt, erst ganz am Schluß. Er nähert sich langsam an Caypor und seine Frau an, plaudert mit ihnen, übt deutsche Konversation mit Frau Caypor und begleitet sie auf einem Ausflug in die Berge. Action und Abenteuer sucht man vergeblich in dieser Erzählung. Trotzdem hat sie mir gut gefallen, denn sie entwickelt eine gewisse Spannung und am Schluß auch Tragik. Die Spannung resultierte für mich vor allem aus der Art, wie Maugham das Ehepaar Caypor beschreibt – wir erfahren nur das von ihnen, was Ashenden sieht und sich aus dem Verhalten der Beiden zusammenreimt.  Er erzielt damit genau das, was Hitchcock in seinen Filmen so oft erzeugt und Suspense genannt hat: Er lässt uns Leser*innen bzw. Zuhörer*innen stets im Unsicheren darüber, ob etwas und wenn ja, was passieren wird. Hitchcock definierte Suspense (im Gegensatz zur Überraschung) als Methode, bei der die Zuschauer*innen über etwas informiert sind, das geschehen kann. So wird eine emotionale Spannung beim Zuschauer aufgebaut. Und vielleicht ist das, was Maugham schildert,  ja auch eher die Realität eines Lebens als Geheimagent als turbulente Verfolgungsjagden und explodierende Autos.

Jens Wawrczeck kennen viele als Peter Shaw aus der Hörspielreihe der drei Fragezeichen, er arbeitet aber auch als Synchronsprecher und Schauspieler. Ich habe schon ein paar Hörbücher von ihm gehört und schätze seine Lesweise sehr. Auch diese Erzählung liest er sehr souverän und bringt einem dadurch die verschiedenen Personen nahe. Obwohl seine Stimme eher hell ist, nimmt man ihm die grobe und polternde Stimme von Caypor absolut ab und mir hat besonders gut die Szene gefallen, in der das Ehepaar seinen Hund im Gemeinschaftsbad der Pension wäscht. Hier bringt er die Ambivalenz von Caypors Charakter besonders gut zum Ausdruck.

Fazit: Ein Hörbuch, das nicht durch Action und rasante Handlung punktet, sondern durch subtile Spannung, eine gute Sprache und sehr gute Lesweise!

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