Arno Geiger erzählt die Geschichte seines Vaters, der an Alzheimer erkrankt ist. 1926 als drittes von 10 Kindern geboren, wächst er auf dem elterlichen kleinen Bauernhof im österreichischen Wolfurt auf. Mit 18 Jahren muss er in den Krieg, gerät in russische Gefangenschaft und überlebt nur knapp eine schwere Erkrankung, bevor er entlassen wird. Zu Fuss wandert er nach Hause in die Heimat, die er nie wieder verlassen möchte. Er heiratet spät, die Ehe wird nicht glücklich, denn seine Frau will reisen, aber er will nicht mehr fort aus seinem Heimatdorf und aus dem Haus, das er eigenhändig gebaut hat.
Diese Lebensgeschichte enthüllt sich uns Leserinnen und Lesern eher beiläufig, in kurzen Einschüben, Zitaten oder Gesprächen, die der Sohn mit seinem Vater führt. Denn die Hauptsache in diesem Buch ist die Annäherung eines Sohnes an seinen Vater, der nicht mehr Herr über sich selbst ist. Über längere Zeit war das Verhältnis zueinander eher distanziert, aber nun, wo es klar ist, was mit dem Vater los ist, will der Sohn sich ihm widmen. Liebevoll begegnet er dem Vater, führt Gespräche mit ihm und auch wenn diese Gespräche manchmal merkwürdig verlaufen. In verschiedenen Zitaten und Dialogen, die den jeweiligen Abschnitten vorausgestellt sind, erschließt sich einem das ganze Dilemma, das diese Krankheit mit sich bringt: Weisheit und Sinnlosigkeit liegen eng beieinander.
Dieses Buch hat mich zutiefst berührt. Trotz des schwierigen Themas hat das Buch eine gewisse Leichtigkeit. Arno Geiger jammert nicht, er beschönigt nichts: Die Zeit, die es gedauert hat, bis die Familie erkannte, was mit dem Vater los ist, und die Trauer über diese verlorene Zeit und die Energien die in dieser Zeit für die falschen Dinge aufgebracht wurden. Die Schwierigkeiten mit den Betreuerinnen, die sie einstellen müssen, als sie selbst die Betreuung nicht mehr leisten können, die Entscheidung, den Vater ins Heim geben zu müssen. Manche Situationen sind einfach komisch, auch wenn sie eigentlich tragisch sind, z.B. wenn der Vater dem Nachrichtsprecher Weihnachtsplätzchen anbietet. Dabei sprechen aus seinem Text stets Liebe und Respekt für seinen Vater, der sich immer mehr in eine andere Welt zurückzieht und das macht das Besondere aus im Vergleich zu anderen Büchern von Söhnen über ihre Väter.
Im Dialog zwischen Vater und Sohn heißt es einmal: „Ich fühle mich nicht verlassen oder enttäuscht. Ich habe Verschiedenes erlebt und Verschiedenes gehabt und Verschiedenes erreicht. Es ist nicht so schlimm, dass jetzt nur mehr wenig Leistung in mir vorhanden ist.“ „Ich finde, du unterschätzt dich. Ich unterschätze dich nicht. Es ist noch viel vorhanden, wenn auch vielleicht nicht Leistung im herkömmlichen Sinn.“
Wunderbare Lektüre, die man nicht so schnell vergisst – ein Buch, das nicht nur einmal gelesen werden will!
Dieses Buch gibt es auch als e – Book im e – pub – Format. Sie können es hier herunterladen
Ein Interview mit Arno Geiger über sein Buch können Sie hier lesen
Eine Diskussion über das Buch im Rahmen der SWR – Bestenliste können sie hier anhören
Ein Interview mit Arno Geiger im SWR können Sie hier lesen und nachhören