Auf diesen Roman wurde ich durch eine Rezension in der Stuttgarter Zeitung aufmerksam, die mich motivierte, das Buch sofort zu bestellen und auf den Urlaubsstapel zu legen. 595 Seiten fordern eindeutig Zeit am Stück!

Der Inhalt

Eine Inhaltsangabe zu schreiben ist hier fast unmöglich, deshalb will ich mich auf einige wenige Sätze beschränken, die den Hauptstrang der Handlung beschreiben.

Rami und Bassam leben beide in Israel, beide haben ihre Töchter durch Gewalt verloren und sie sind Freunde. Letzteres ist ungewöhnlich, denn Bassam ist Palästinenser und Rami Israeli. Rami hat in 3 Kriegen mitgekämpft, Bassam saß 7 Jahre im Gefängnis, weil er als Jugendlicher eine Handgranate auf einen israelischen Jeep warf. Die beiden Männer verbindet nicht nur die Trauer um ihre Töchter, sondern auch das Ziel, die Besatzung zu beenden. Deshalb sind sie Mitglieder der „Combatants for Peace“ und des „Parents Circle“. Und sie halten regelmäßig gemeinsam Vorträge, bei denen sie über den Verlust ihrer Töchter und das, was er mit ihnen gemacht hat, sprechen: Ramis Tochter Smadar wurde bei einem Selbstmordattentat getötet, Bassams Tochter Abir starb durch ein Gummigeschoss aus einem israelischen Gewehr.

In diesen Rahmen bettet Colum McCann zahlreiche Mosaiksteine ein, in denen er ein Bild der Geschichte Palästinas und seiner Menschen zeichnet: Ein Apeirogon ist eine zweidimensionale geometrische Form mit einer gegen unendlich gehenden Zahl von Seiten. Und einem Apeirogon gleich hat auch die Geschichte des Palästinakonflikts und das Leben der Menschen in diesem Landstrich eine scheinbar unendliche Vielzahl von Perspektiven.

Meine Meinung

Dieser Roman hat mich fast von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Dabei ist er sehr ungewöhnlich gestaltet: Er ist eingeteilt in 1001 Kapitel, von denen manche nur einen Satz lang sind. Das Kapitel 500 gibt es zweimal, genau in der Mitte des Buches beginnt die Zählweise rückwärts, so daß der Roman mit Kapitel 1 beginnt und endet. 1001 – diese Zahl ist nicht zufällig gewählt, denn so wie Sheherazade gegen ihren Tod anerzählt, erzählen auch Bassam und Rami gegen ihn an ebenso wie gegen die Gewalt auf beiden Seiten, die das Leben unzähliger Unschuldiger fordert und gegen die Besatzung und die mit ihr verbundene Erniedrigung.

Als Lesende streifen wir beispielsweise durch die Vogelwelt Israels, lernen, dass die zweitgrößte Flugroute der Zugvögel über das Land führt und israelische Kampfpiloten mit dem Zugverhalten der Vögel betraut gemacht werden, um nicht in Gefahr zu geraten Gleichzeitig lesen wir aber auch, wie auf Leitungen sitzende Vögel von Steinschleudern getötet werden, die schon im Altertum als Kriegswaffe dienten: Eins führt zum anderen, von der Natur zur Waffe, von der Beobachtung zur Überwachung und so weiter. Wir erleben mit, wie der Alltag in dem in 3 Zonen eingeteilten Land sich für seine Bewohner völlig unterschiedlich gestaltet: In die Zone A dürfen sich Israeli nach israelischem Recht nicht aufhalten, denn sie steht unter palästinensischer Verwaltung, während Zone B unter gemeinsamer Verwaltung und Zone C unter israelischer Verwaltung steht. Die Farbe des Nummernschilds (Ramis ist gelb, Bassams grün) entscheidet über die Länge einer Fahrt von einem Ort zum anderen, wobei sicher ist, dass Bassams Fahrt stets länger sein wird, weil er an einem der zahlreichen Checkpoints aufgehalten werden wird. Wir erleben in vielen kleinen Begebenheiten die Arroganz der Besatzer und die wütende Hilflosigkeit der Palästinenser. Durch diese kaleidoskopischen, kunstvoll miteinander verwobenen Textstücke entsteht eine unglaubliche Intensität und Spannung, die mich nicht mehr losgelassen hat.

In einer Vorbemerkung schreibt Colum McCann, daß seine beiden Hauptfiguren reale Personen sind und aus seiner Danksagung kann man die intensiven und langwierigen Recherchen erahnen.

Fazit: Schon lange hat mich kein Buch mehr dermaßen gefesselt. Die literarische Form, die Colum McCann gewählt hat, wird der ungeheuren Komplexität dieses unlösbaren Konflikts gerecht und ließ mich als Leserin trotzdem nicht hoffnungslos zurück. Ein großartiger Roman, ein literarisches Kaleidoskop, dem ich viele Leserinnen und Leser wünsche!

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