In der Bibliothek unseres Familienferienhauses fand sich dieses Buch von Juli Zeh und weil ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, noch nichts von ihr gelesen habe, griff ich es mir, denn es hörte sich spannend an!

Der Inhalt

Ich greife auf den Verlagstext zurück, denn es ist schwierig, hier eine Inhaltsangabe zu schreiben, ohne zu viel zu verraten:

Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passsieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon. Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier in Femés. Damals hatte sich etwas Schreckliches zugetragen – etwas so Schreckliches, dass er es bis heute verdrängt hat, weggesperrt irgendwo in den Tiefen seines Wesens. Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein, und er begreift: Was seinerzeit geschah, verfolgt ihn bis heute. (© Luchterhand Verlag)

Meine Meinung

Dieses Buch ist sehr spannend und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Ich war zwar noch nie auf Lanzarote, aber auf Teneriffa und konnte mir die gekonnt eingefangene Urlaubsatmosphäre ebenso gut vorstellen, wie die Familiensituation. Als Henning, völlig dehydriert auf dem Pass angekommen, das Haus wieder erkennt, in dem er traumatisches erlebte, nimmt der Roman fast thrillerhafte Züge an. Plötzlich erklärt sich seine Einstellung zu seiner Vaterrolle, zum Verhältnis zu seiner Schwester und zu seiner Mutter. Ich merkte dem Roman an, daß Juli Zeh weiß, wie Familienleben aussieht und  die innere Zerrissenheit zwischen dem Wunsch,  den Kindern und Partnerin gerecht zu werden und dem Wunsch, sich auch im eigenen Beruf zu verwirklichen, genau kennt. Im Podcast „Alles gesagt“ sagt sie sogar, daß Henning ein Stück weit sie selbst ist.

Aber trotzdem hat mich die Lektüre teilweise unbefriedigt zurück gelassen, denn mir kommt es ein wenig so vor, als ob Juli Zeh mit der traumatischen Erfahrung ihres Hauptprotagonisten ihr eigentliches Thema verwässert: Das Gefühl der inneren Zerrissenheit erleben sicher viele Elternpaare, Frauen wie Männer. Es ist ein gesellschaftliches Phänomen unserer Zeit, das bis jetzt nicht gelöst ist. Und genau das schwelt unterschwellig durch den gesamten Roman, durch die Thrillerhandlung im zweiten Teil des Romans tritt es jedoch weitgehend in den Hintergrund. Und mit der Auflösung am Ende mag sich für Henning zunächst einmal ein Knoten lösen, ob sich aber am grundsätzlichen Problem seiner inneren Rollenkonflikte wirklich dauerhaft etwas ändert möchte ich bezweifeln.

Fazit: Ein gut geschriebener, spannender Roman, der mir für den Urlaub gerade recht kam, mich aber letztlich nicht hundertprozentig überzeugen konnte.

Hier können Sie in`s Buch reinlesen

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Die Links führen direkt in die jeweiligen Webshops.

Der Roman wurde von der Literaturkritik unterschiedlich aufgenommen, auf perlentaucher.de finden Sie die Zusammenfassung einiger Rezensionen.