In der Biblioteca Malatestiana zu Cesena (1)
Auf diesen Besuch der Biblioteca Malatestiana während einer Reise durch die Emiglia Romagna war ich besonders gespannt, ist sie doch die älteste Renaissancebibliothek Europas, die sich noch am selben Standort wie zu ihrer Gründung befindet. Sie gehört außerdem zum Weltdokumentenerbe der Unesco.
Als der Füherer die schwere Holztür dann öffnete, war ich jedoch zuerst einmal sehr irrritiert, denn ich hatte das Gefühl, ich betrete eine Kirche und fragte mich – wo um alles sind die Bücher?? Ich wurde jedoch schnell darüber aufgeklärt, daß es sich hier um den Lesesaal der Bibliothek handelt, die übrigens die erste städtische Bibliothek Europas war und jedem zugänglich – jedem, der lesen konnte natürlich!
Die vermeintlichen Kirchenbänke waren die Lesebänke, die Bücher waren im Fach unterhalb des Lesepultes untergebracht, auf die die Bücher gelegt werden konnten.
Und ja, Sie sehen richtig: Die Bücher sind seit jeher angekettet. Aber nicht aus Angst vor Diebstahl, sondern um sicherzustellen, daß sie stets im richtigen Sachgebiet lagen: Rechts Philosophie und Theologie, links Jura und Naturwissenschaften. Eine in mittelalterlichen Klöstern durchaus übliche Praxis. 343 Bücher liegen im Lesesaal, sie beinhalten einen Großteil des Wissens der damaligen Zeit. Die Bücher sind übrigens inzwischen digitalisiert und können im Internet eingesehen werden.
Der Lesesaal war (und ist) je nach Jahreszeit kalt und ganz sicher nicht gemütlich. Gelesen werden konnte dort nur tagsüber, es gab keine künstliche Beleuchtung – überfüllt war er ganz sicher nie 😉
In Auftrag gegeben wurde die Bibliothek von Novello Malatesta, letzter Herzog des damals der damals herrschenden Familie, nach dessen Tod die Stadt Cesena dann wieder an den Papst zurückfiel. Das Wahrzeichen der Familie Malatesta ist der Elefant, der in vielen Bauwerken, die von der Familie in Auftrag gegeben wurden zu finden ist, auch über der schweren Holztür der Biblioteca. An dieser Holztür wurde übrigens 2 Jahre lang gearbeitet!
In den Beständen der Bibliothek befinden sich heute ca. 500.000 Bücher. Den Grundstock bildeten Manuskripte aus dem 14. Jahrhundert, die von den Franziskanern übernommen wurden sowie Handschriften aus der Privatbibliothek des Leibarztes von Malatesta.
Nach der ersten Irritation war ich beeindruckt von diesem Raum und den Büchern, auch wenn ich sie weder von nahem betrachten noch in die Hand nehmen konnte. Aber die Vorstellung, wie hier vor Jahrhunderten Menschen in den harten Bänken saßen und in den Büchern lasen, womöglich bei Eiseskälte und schlechtem Licht, hat mich fasziniert!
Text und Bilder: Susanne Martin