Unterwegs auf den Stuttgarter Buchwochen
Seit vielen Jahren arbeite ich ehrenamtlich mit in der Ausstellungskommission der Stuttgarter Buchwochen. Sie fanden dieses Jahr zum 69. Mal statt. 3 Wochen konnten sich Leseratten im Haus der Wirtschaft einen Überblick über die aktuellen Programme von Verlagen aus Baden – Württemberg verschaffen und zahlreiche Veranstaltungen besuchen. Jedes Jahr suchen wir ein Gastland aus, von dem wir glauben, daß sein Literaturleben interessant für die Besucherinnen und Besucher sein wird, weitere Veranstaltungen und Lesungen runden diese Leistungsschau ab.
Die Eröffnung
Am Abend vor dem ersten Ausstellungstag wurden die Buchwochen auch dieses Jahr wieder mit der inzwischen schon traditionellen Podiumsdiskussion eröffnet. Zu Gast waren die isländische Gesandte und stellvertretende Botschafterin Elín Rosá Sigurdardottir, der isländische Autor, Künstler und Komiker Jón Gnarr, der auch eine Legislaturperiode Bürgermeister von Reykjavik war, Tom Kraushaar, Geschäftsführer beim Klett-Cotta/Tropen Verlag, Katrin Schütz, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und Thomas Lindemann, der Vorsitzende unseres Landesverbandes und Verleger.
Unter der Moderation von Kulturjournalist Björn Springorum entspann sich eine lebhafte Diskussion in der es vor allem um das Gastland Island ging, ein Land mit atemberaubender Natur, wenig Einwohnern und einem reichen literarischen Leben. Jón Gnarr führt die Lesefreude der Isländer:innen auf die langen, dunklen Winter zurück, vielleicht auch darauf, dass in Island fast jeder jeden kennt und es dann doch peinlich wäre, wenn man auf einer Party zugeben müsste, daß man das Buch des Gegenübers noch nicht gelesen hat. Einig waren sich auf dem Podium alle, wie wichtig das Lesen ist, die isländischen Gäste beobachten seit einiger Zeit, daß Kinder und Jugendliche in Folge des intensiveren Konsums von Fernsehserien auf Netflix und anderen Streamingkanälen besser Englisch als isländisch sprechen. Kinder von Anfang an durch intensives Vorlesen an das Lesen von Büchern heranzuführen fanden alle wichtig, ich fragte mich dann allerdings doch, warum die Frage, welche Bücher denn die Gäste ihren Kindern vorlasen, wieder einmal nur an die beiden Frauen auf dem Podium ging……
In vielen Kalendern von Menschen aus der Buchbranche ist dieser Termin fest im Kalender eingetragen und die Begegnung mit Buchmenschen ist sicher den meisten mindestens ebensowichtig wie das Programm. Auch für mich war es eine schöne Gelegenheit, wieder ein wenig Buchhandelsluft zu schnuppern und ehemalige Kolleg:innen und Weggefährt:innen zu treffen. Dieses Jahr sogar zwei aus den Anfängen in der Schiller Buchhandlung! Beides ehemalige Mitarbeiterinnen, die eine war schon nicht mehr da, als ich im Juni 1990, damals noch am Schillerplatz, in der Buchhandlung begann. Sie arbeitet seit vielen Jahren beim Barsortiment KNV-Zeitrfacht als Kundenbetreuerin und wir lernten uns in diesem Zusammenhang kennen. Die andere Kollegin wechselte kurz nachdem ich begonnen hatte zur Hohenheimer Filiale der Buchhandlung Wittwer. Unsere Zusammenarbeit währte zwar nur wenige Wochen, aber in dieser kurzen Zeit haben wir uns schätzen gelernt und freuen uns immer, wenn wir einander treffen.
Bücherfreundin 2019: ChrisTine Urspruch
Zum zweiten Mal vergab der Börsenverein, Landesverband Baden-Württemberg die Auszeichnung BücherfreundIn. Mit diesem Preis werden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgezeichnet, die sich besonders um die Förderung des Buches und die Leseförderung einsetzen. Nachdem 2017 der Trainer des SC Freiburg, Christian Streich den Preis zum ersten Mal erhielt, vergab die Jury dieses Jahr die Auszeichnung an die Schauspielerin ChrisTine Ursruch, die viele aus dem „Tatort“, den „Sams“ – Verfilmungen oder der Serie „Dr. Klein“ kennen.
Bei der Feier an einem Sonntagvormittag im Stuttgarter Literaturhaus lernten wir die Preisträgerin als sympathische und engagierte Leserin kennen, die nicht nur Kindern gerne vorliest, sondern selbst auch viel liest. Sie brachte ein Gedicht der polnischen Lyrikerin Wisława Szymborska zu Gehör und freute sich sichtlich über diese Auszeichnung. Das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro stiftete sie je zur Häfte an vier Kindertagesstätten aus ihrer Heimatstadt Wangen und das Mentroingprogramm Kinderhelden, in dem Mentor:innen mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen Lesetandems bilden. Ein Tandem stellte sich dem interessierten Publikum selbst vor, in einem kurzen Podiumsgespräch wurde über die Leseförderung gesprochen.
Ein ganz besonderes Schmankerl waren die Beiträge von Peter Sommer, bekannt durch seinen Youtubekanal „Sommers Weltliteratur to go“. Im Schnelldurchlauf erlebten wir mit seinen Playmobilfiguren die Abenteuer des Don Quichote und wurden in Fahrenheit 451 in eine Welt entführt, in der es ein Verbrechen ist, Bücher zu besitzen.
Entgegen meinen Erwartungen war dies ein wirklich kurzweiliger und unterhaltsamer Vormittag – das frühe Aufstehen hat sich gelohnt!
Das literarische Buchhandlungsquartett
Vor vier Jahren saß ich bei der Premiere des Buchhandelsquartett selbst auf der Bühne und habe seither keinen Termin versäumt. Ich finde es immer wieder interessant, welche Bücher die Kolleg:innen aud anderen Buchhandlungen empfehlen, seitdem ich „raus“ bin, noch einmal mehr. Dieses Jahr saß en Beate Hiller, von Buch im Süden, Sabine Brauer-Seiffert von der Buchhandlung Seiffert aus Leinfelden, Ulrike Sander von der Osianderschen Buchhandlung in Tübingen und Thomas Koch von inside books, einer reinen Online-Buchhandlung. Unter der bewährten Moderation von Wolfgang Tischer sprachen sie über diese Bücher:
Garcia, Tristan: Das Siebte (vorgestellt von Thomas Koch)
Owens, Delia: Der Gesang der Flusskrebse (vorgestellt von Beate Hiller)
Poladjan, Katerina: Hier sind Löwen (vorgestellt von Ulrike Sander)
Scheuer, Norbert: Winterbienen (vorgestellt von Sabine Brauer-Seiffert)
Wie in den letzten Jahren schon, waren sich die Gesprächspartner:innen in vielen Punkten so einig, daß es eher Gespräch denn Diskussion mit unterschiedlichen Meinungen war. Während „Der Gesang der Flusskrebse“ schon auf meinem Stapel zu Hause liegt, habe ich mir die Bücher von Norbert Scheuer und Katarina Poladjan auf die Merkliste für den nächsten Bibliotheksbesuch genommen.
Hölderlins Geister und ein Giftmord in München – zwei ganz unterschiedliche Abende im Buchcafé
Zu den Aufgaben von uns Kommissionsmitgliedern gehört es auch, die Autor:innen, die vom Börsenverein auf die Buchwochen eingeladen werden, zu betreuen. Das heißt, man trifft sich eine gute halbe Stunde vor Veranstaltungbeginn mit dem Gast, klärt den Ablauf des Abends, sorgt dafür, daß das gewünschte Getränk zur Befeuchtung der beanspruchten Kehle auf dem Tisch steht und macht eine Tonprobe, um sicher zu gehen, daß das Mikrophon funktioniert und die Lautstärke stimmt. Außerdem gehört natürlich eine kurze Begrüßung dazu und ggfs. die Aufnahme von Fragen im Anschluß an Vortrag oder Lesung.
Dieses Jahr hatte ich zwei ganz unterschiedliche Betreuungen:
Karl – Heinz Ott stellte sein neues Buch „Hölderlins Geister“ vor. Das kommende Jahr steht ganz im Zeichen dieses Dichters, dessen 250. Geburtstag dann mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert wird. Karl – Heinz Ott widmet sich in seinem Buch vor allem der Rezeptionsgeschichte des Dichters, der lange Zeit ein Schattendasein führte und dann im 20. Jahrhundert von ganz unterschiedlichen politischen Gruppierungen vereinnahmt wurde: Den Nationalsozialisten und den 68ern. Lebendig und fesselnd erzählte der Autor über diesen Dichter, von dem ein Graffiti am Hölderlinturm jahrelang sagte„Der Hölderlin isch et veruckt gwä!“. Es war ein wirklich interessanter Abend, der mir viel Neues über einen Dichter erzählte, mit dem ich zugegebnermaßen Schwierigkeiten habe.
Jürgen Seibold kannte ich von verschiedenen Veranstaltungen, bei denen ich den Büchertisch gemacht hatte und von einem schönen Nachmittag im Heslacher Waldheim vor einigen Jahren. Gerne übernahm ich diese Betreuung zu einem Abend, an dem er seinen neuen Krimi „Schwarzer Nachtschatten“ vorstellte, den ersten Band eine neuen Krimireihe, in der eine Apothekerin ermittelt. In diesem ersten Band steht sie jedoch zuerst einmal selbst unter Mordverdacht. Während viele seiner Krimis eine kräftige Prise Humor enthalten, ist dieser ein eher ernster. Wie immer führte Jürgen Seibold charmant, spannend und humorvoll durch den Abend. Für ein Getränk musste ich dieses Mal nicht sorgen, denn aus zwei Apothekenflaschen mischte er sich einen eigenen Cocktail. Daß er keine Spur von Nachtschatten enthielt merkte das Publikum rasch.
Mit dazu gehört natürlich auch immer ein Büchertisch, an dem es oft nicht nur um die Signatur geht, sondern an denen sich noch Gespräche zwischen Besucher:innen und Autor:innen anschließen.
Es hat wieder einmal Freude gemacht, bei den Buchwochen mitzuwirken und ich freue mich schon auf das Jubiläumsjahr, wenn die Buchwochen ihr 70jähriges feiern!
Text: Susanne Martin, Bilder: Susanne Martin und Bianca Fürst