Seit 1996 gibt es in Südafrika die Wahrheits- und Versöhnungskommission: Ehemalige Täter, die sich dieser Kommission stellen erhalten Amnestie, wenn sie zur lückenlosen Aufklärung von Verbrechen während der Apartheid beitragen. So soll versucht werden, die Gräben, die es seit dem Ende der Apartheid gibt, zu schließen: "Es gab 1990 zwei Lager. Mag man sie nennen wie man will: Die Folterer und die Freiheitskämpfer oder die staatstreuen Polizisten und die Terroristen. Zwischen ihnen herrschte Krieg und es war Zeit, Frieden zu schließen. So wurde die Wahrheitskommission geboren" schreibt die Autorin.
Die Wahrheitskommission kommt auch in den Ort Smitsrivier und soll dem Tod des jungen Schwarzen Steve Sizela nachgehen. Für die Beteiligten wird es eine Konfrontation mit der Vergangenheit und der Wahrheit, die alle ganz unterschiedlich erleben: Die Anwältin Sarah Bercant, die in New York lebt und von ihrem Mentor, dem liberalen Anwalt Ben, zurück nach Hause gerufen wird. Dirk Hendriks, einst Polizist und Folterer, heute Angeklagter, und sein einstiges Opfer, Alex Mpondo, der heute Abgeordneter ist. In diesem spannenden und anrührenden Roman erleben wir mit, wie komplex die Wahrheit in Wirklichkeit ist: Wir hören Dirk Hendriks, der doch nichts anderes tat, als seinen Job und wir erleben die emotionale Abhängigkeit zwischen ihm und seinem früheren Opfer Alex Mpondo, der bis zum Ende des Romans nicht sicher sein wird, ob er durch seinen Verrat den Tod seines Freundes Steve verursacht hat. Durch immer wieder wechselnde Erzählperspektiven gelingt es der Autorin, uns als LeserInnen die unterschiedlichen Wahrheiten plausibel zu machen. Am Ende ist klar: Mit schwarz – weiß Malerei machen wir es uns zu einfach.
Es wird noch sehr lange dauern, bis die Apartheid in Südafrika mit all ihren Folgen überwunden sein wird – wenn das überhaupt gelingen wird. Trotzdem liegt in der Konfrontation von Opfern und Tätern und dem damit verbundenen Zwang, sich mit individueller Wahrheit und Schuld auseinandersetzen zu müssen vielleicht eine größere Chance als in purer Strafverfolgung im klassischen Stil – das ist nach der Lektüre dieses sehr empfehlenswerten Romans klar.