Der zehnte Fall für Georg Dengler, das ist ja schon ein kleines Jubiläum! 2005, also vor 15 Jahren betrat Georg Dengler die Bühne des deutschen Kriminalromans. Damals schrieb ich in meiner Rezension zu „Die blaue Liste“: „Wolfgang Schorlau hat sicherlich noch mehr brisante Fälle der neueren deutschen Vergangenheit auf Lager, in die sein Privatdetektiv die Nase stecken wird!“ Heute wissen wir, es geht nicht nur um die deutsche Vergangenheit, sondern sehr oft auch um Themen des aktuellen Zeitgeschehens, mit denen sich Georg Dengler beschäftigt. So ist es auch bei Denglers allerneuestem Fall.

Der Inhalt

Gerne greife ich auf die Inhaltsangabe des Verlages zurück: „Georg Dengler fühlt sich in Stuttgart so wohl wie schon lange nicht mehr, und auch mit Olga läuft es besser denn je. Trotz der aufziehenden Corona-Pandemie lässt er sich von ihr überreden, in Berlin zu ermitteln. Der Immobilienhai Sebastian Kröger scheint seine Mieter mit kriminellen Methoden rauszuekeln. Doch Dengler muss erkennen, dass die Sache größer ist, viel größer. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt: In einem Radius von wenigen hundert Metern vereinen sich in Kreuzberg Plattenbauten, schicke Townhouses, die türkische Community und der Schwarze Block. Ausgerechnet hier will der Bauunternehmer Kröger zwei Häuser »entmieten«, den danebenstehenden Kindergarten abreißen und ein neues Townhouse bauen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Die Mieter*innen wehren sich. Eine von ihnen bittet ihre Freundin Olga um Hilfe. Plötzlich stehen sie und Georg Dengler mitten im modernen Berliner Häuserkampf um das Recht auf Wohnen. Dann fällt ein Spekulant vom Dach eines der umkämpften Häuser – und die Lage eskaliert.“ (© Kiepenheuer & Witsch Verlag)

Meine Meinung

Wieder einmal greift Wolfgang Schorlau ein brisantes Thema auf, dessen gesellschaftlicher Sprengstoff sich seit Jahren immer deutlicher zeigt: Den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die Machenschaften der Immobilien- und Finanzbranche. Wie immer gelingt es ihm, Fakten mit einer spannenden Handlung zu verbinden. Wobei ich dieses Mal passagenweise das Gefühl hatte, eher ein Sachbuch denn einen Krimi zu lesen. Dennoch sind auch die Passagen, in denen uns die hinterhältige und eiskalte Gedankenwelt der Manager von Immobilien und Investmentfonds nahegebracht werden, spannend und erhellend zu lesen. In dieser profitgierigen und skrupellosen Welt verwundert es auch nicht, daß Olga und Dengler zutiefst abgestossen sind von dem, was sie herausfinden und am Ende selbst entscheiden müssen, ob sie den sowieso schon sehr schmalen Grat der Legalität, auf dem sie wandeln, noch weiter verlassen als bisher.

Was man dem Roman anmerkt ist, daß während der Arbeit am Munskript entschieden wurde, das Buch zu verfilmen und der Autor dann gemeinsam mit dem Drehbuchautor einen Plot entwickelte. Darauf mag zurück zu führen sein, daß es zum einen ein umfangreiches Personentableau gibt, vor allem aber, daß die kurzen und häufigen Szenenwechsel etwas sehr filmisches haben.

Das war jedoch nicht der Grund, warum mich der Roman nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Das liegt vor allem daran, daß sich Wolfgang Schorlau entschieden hat, die Corona – Epedemie mit in die Handlung des Romans einzubauen. Im Nachwort schreibt er dazu, daß er die Entwicklung quasi in Echtzeit mit in den Roman aufgenommen hat. Auf den ersten Blick scheint das logisch, aber mich hat das leider nicht überzeugt. Corona und die damit verbundenen gesellschaftlichen Umwälzungen sind ein ganz großes, eigenes Thema, von dem man noch gar nicht abschätzen kann, wohin es uns alle führen wird.  Ich hätte mir deshalb gewünscht, daß ich in ein oder 2 Jahren darüber einen Thriller lese, in dem Georg Dengler sich mit den Folgen auseinandersetzen muss. So jedoch hat es das eigentliche Thema, nämlich die Verquickungen zwischen Immobilienwirtschaft und Finanzindustrie im zweiten Teil des Buches immer mehr in den Hintergrund gedrängt und das finde ich ausgesprochen schade.

Fazit: Wie immer spannende, gut recherchierte und erhellende Lektüre, die ich keinesfalls bereue. Aber für mich wäre weniger dieses mal mehr gewesen.

Wie immer hat Wolfgang Schorlau sorgfältig recherchiert. Eine Auswahl seiner Quellen findet sich auf seiner Website, ebenso wie der Mitschnitt eines Gesprächs über „Kreuzberg Blues“ mit Stefan Kister von der Stuttgarter Zeitung

Wenn Sie das Buch bestellen oder herunterladen möchten, können Sie das in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik und Vaihinger Buchladen. Beide Buchhandlungen bieten in Zeiten des Lockdown einen Lieferservie an! Die Links führen direkt zum Titel in den jeweiligen Webshops