Emile und Lia leben seit Jahren zusammen. Emile ist als Paläontologe mit der Erforschung des Vergangenen beschäftigt, während Lia sich als Filmemacherin mit ihrer unverblümten Darstellung der politischen Gegenwart in der konservativen Schweizer Gesellschaft immer wieder in die Nesseln setzt. Sie gibt nicht auf und erhält endlich einen großen Filmauftrag.
Emile, den Lia auf einen Debutantenball schickt, um die Tochter einer Freundin aufs Tanzparkett zu führen, verliebt sich an diesem Abend prompt in die junge Klara.
In der Nacht darauf hat Lia eine Hirnblutung und fällt ins Koma.
Der Roman beginnt mit dem Schock, den dieses Ereignis bei Emile auslöst: als er am Morgen aus der Klinik in die gemeinsame Wohnung zurückkehrt, ist ihm bewusst, dass sich das Leben völlig verändern wird; die abgebissene Banane, das am Vorabend aufgewaschene Geschirr, die von Lia eingekaufte Wurst im Kühlschrank, plötzlich scheinen diese Gegenstände unantastbare Reliquien aus Lias Leben zu sein.
Emile ‚tut, was getan werden muss’, doch lebt er wie unter einer Glocke. Der Weg in die Klinik führt ihn jeden Tag durch einen Park, den er sich selbst jedesmal anders durchschreiten sieht, mal wie sein seriöser, großbürgerlicher Großvater, mal wie ein ängstlicher, unsicherer junger Mann. Emile lebt viele Momente seiner Beziehung zu Lia nach, er will zu ihr stehen, und gleichzeitig steht er im Bann seiner Verliebheit in Klara. Mit ihr könnte er eine neue Beziehung führen, frisch anfangen, sich von ihrem Elan und ihrer Lebenslust anstecken lassen. Er könnte der Zukunft mit Lia, die ihm die Ärzte brutal in aller Eingeschränktheit ausmalen, entfliehen.
Christian Hallers Held beschreibt seinen Konflikt wie ein Paläontologe seine Objekte: durch minutiöse und detailreiche Beobachtung, präzise und auch schonungslos in seinen Schlußfolgerungen. Er fesselt seine Leser und Leserinnen, wie er scheinbar nüchtern die Objekte der Umgebung in neuem Licht sieht und uns gleichzeitig einen tiefen Blick in seine Gefühle gewährt.
Vielleicht hat Emile eine sehr männliche Sicht, jedenfalls ist der Mann sympathisch in seiner Offenheit und Nachdenklichkeit. Er entwickelt sich weiter in dieser Zeit der Ungewissheit des Komas.
Der Vergleich mit einem zur selben Zeit erschienenem Roman mit einem ähnlichen Thema ‚Diese Liebe’ von Roberto Controneo liegt nah. Auch hier bleibt ein Partner von heute auf morgen in der Ungewissheit der Abwesenheit des/r Geliebten zurück. Hier beschreibt der Mann, dort die Frau die Konflikte, die Liebe des/r Zurückbleibenden. Beide Autoren sind männlich. Ganz anders ist die Art der Verarbeitung. Beide Romane sind tief berührend und machen nachdenklich.
Äußerst lesenswert!