„Es ist damit nicht anders als mit der Demokratie oder der großen Liebe oder der heilen Familie oder dem Weltfrieden. Früher gehörte der liebe Gott noch dazu, und es ist immer dasselbe Prinzip: Entweder man glaubt es, oder man glaubt es nicht. Wenn alle daran glauben, heißt es, es funktioniert.
Natürlich funktioniert es dann längst noch nicht unbedingt, aber das ist nicht so furchtbar wichtig. Wenn nur alle dran glauben, wird es schon funktionieren, und die, bei denen es nicht funktioniert, haben eben nicht stark genug daran geglaubt.“
So beginnt das neue Buch von Birgit Vanderbeke und in diesen ersten Absätzen ist eigentlich auch schon die Essenz dieses überaus kurzweilig zu lesenden kleinen Bändchens enthalten. Es ist nicht nur die Geschichte der Ich – Erzählerin, sondern auch die Geschichte der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts in Deutschland. Scharfsinnig erzählt sie, wie ihr Vater in seiner Firma an der Erfindung der Sprühsahne mitarbeitet und die Ergebnisse seiner Forschung erst einmal in Zaire, Südamerika oder sonstwo testet, „weil sie das Zeug, das sie erfunden hatten, irgendwo testen mussten, bevor sie es im eigenen Land zugelassen bekamen.“ Der Vater reagiert am Wochenende seinen Frust auf der Autobahn ab, fährt ein paar hundert Kilometer, denn das tut den Zündkerzen gut und am Sonntagabend ist er dann wieder ganz ausgeglichen. Bis die Araber anfangen, Europa das Licht abzudrehen. Die Erzählerin wird älter, erlebt die „Atomkraft-Nein-Danke“ – Bewegung mit und die Frauenbewegung in einer Frauen – WG. Während sie es auch in den 90er Jahren noch für richtig hält, ihrem Kind die Pullover selbst zu stricken, macht ihr Bruder an der Börse das große Geld, denn er glaubt, im Gegensatz zu ihr, an das Geld.
Ich habe dieses Buch mit großem Vergnügen gelesen und es hat mich fasziniert, wie es der Autorin gelingt, auf 140 Seiten die Geschichte meiner Generation zu erzählen. Der vermeintlich einfache, naive Stil macht es ihr möglich, die Dinge zu erzählen, ohne sie wirklich beim Namen zu nennen. Das ist gleichzeitig auch der einzige Kritikpunkt, den ich an dem Buch habe: Während diese scheinbare Naivität in der Sprache über die ersten zwei Drittel des Buches gut funktioniert, nimmt man der älter werdenden Protagonistin diese Naivität gegen Ende nicht mehr so ganz ab. Hier hätte ich mir einen kleinen Stilwandel gewünscht. Meinem Lesevergnügen hat dies jedoch keinen Abbruch getan.