Dieses Buch stellte mir der Kloepfer.narr Verlag als Leseexemplar zur Verfügung – herzlichen Dank dafür!
Jürgen Krause, seines Zeichens Taxifahrer in Köln, wird von Federico Temperini als Chauffeur engagiert. Zu bestimmten Terminen, die er ein paar Tage vorher erfährt, soll er ihn zur Kölner Philharmonie fahren und dort warten, bis er wiederkommt. Das Honorar stimmt und Krause übernimmt den Auftrag. Temperini gibt nichts von sich preis, aber er ist geradezu besessen von Niccolò Paganini, dem italienischen Geigenvirtuosen und erzählt Krause bei jeder Fahrt von ihm. Jürgen Krause hängt mehr der Rock- und Popmusik an, aber das, was Temperini ihm erzählt und macht ihn neugierig. Langsam nähern sich die beiden ungleichen Männer aneinander an, auch wenn Temperini ganz offensichtlich ein Geheimnis hütet, das er nicht preisgeben will.
Diese fein gesponnene Novelle habe ich sehr gerne und in einem Rutsch gelesen. Fast von der ersten Seite an war ich hineingezogen in die Geschichte dieser beiden ungleichen Männer. Krause ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten, obwohl er eigentlich einen anderen Berufsweg einschlagen wollte. Aber seine Prüfungsangst verhinderte einen erfolgreichen Abschluss. Sein Vater jedoch fuhr nicht nur einfach Taxi, sondern er arbeitete als Chauffeur und fuhr die Größen der Welt in seinem Wagen. Von seinen Fahrten brachte er seinem Sohn stets signierte Visitenkarten mit. Krause ist einsam, seine Ehe ist gescheitert, sein Sohn Leo, an dem er sehr hängt, wächst bei seiner Exfrau und deren zweitem Mann auf, einem Steuerberater, also einem Mann, der das hat, was man eine gute Anstellung nennt. Er leidet darunter, daß Leo sich auch mit seinem Stiefvater gut versteht und sogar eine gemeinsame Kanada-Reise mit ihm plant, eine Reise, die eigentlich er mit Leo machen wollte.
Er spürt rasch die Einsamkeit seines seltsamen Fahrgasts. Über sich selbst spricht er nicht, auch nicht über seine verkrüppelte linke Hand. Aber er mokiert sich nach den Konzertbesuchen über die Künstler und die Defizite ihrer Darbietung und landet nach wenigen Sätzen stets bei Paganini. Als Leserin ahnte ich rasch, was Temperini widerfahren sein könnte, aber er weigert sich, darüber zu sprechen. Mit der Zeit befinden sich in den Umschlägen, in denen er Krause sein Honorar übergibt, Hinweise auf den italienischen Meistergeiger und dessen Leben. Krause besorgt sich eine Biographie und ist nicht nur zunehmend von dessen Schicksal berührt, sondern auch von seinem Fahrgast.
Das alles erzählt Theres Essmann sehr feinfühlig und ohne zu viele Worte. Vieles wird nur zart angedeutet, so bleibt Raum für eigene Gedanken und Vorstellungen. So unterschiedlich die beiden Männer sind, können sie einander doch viel geben: Temperini gibt Krause den entscheidenden Impuls, zu akzeptieren, daß Leo zwei Väter hat, die er gleichermaßen liebt, während Krause irgendwann Temperinis tragisches Schicksal erfasst und auch erfährt, wie Temperini auf ihn als Chauffeur gekommen ist.
Aber es geht nicht nur um diese beiden Männer, sondern auch um Paganinis Schicksal, das Temperini immer wieder auf sein eigenes, aber, in der Vater-Sohn-Beziehung auch auf das von Jürgen Krause bezieht. Und es geht natürlich um Musik und was sie ausmacht. Wir erfahren bei jeder Fahrt, was auf dem Programm des Abends steht und im Gegensatz zu Jürgen Krause war mir vieles davon bekannt. Die Lektüre regte mich an, manches wieder zu hören und neu zu entdecken.
Fazit: Ein erstaunlicher Erstling, rundum gelungen! Absolute Leseempfehlung!
In diesem Interview erzählt Theres Essmann, was sie beim Schreiben bewegte
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