Irene und Lotte Kleh wachsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien als Halbwaisen auf. Der Vater führt eine renommiertes Juweliergeschäft, die Mädchen werden von Eula, ihrem Kindermädchen großgezogen. Eula ist es auch, die die tragische Geschichte der Beiden erzählt.
Als junge Frau verbringt Irene, die ältere der beiden Schwestern, kurz nach Ausbruch des 1. Weltkireges einige Monate bei einer Tante und arbeitet in deren Hospital in Bozen. Dort pflegt sie Alexander, einen Soldaten, der schwer verletzt wurde. Zur Empörung ihrer Tante landet sie in dessen Bett und natürlich bleibt nichts anderes, als daß die Beiden heiraten. Verhängnisvoll verläuft die erste Begegnung zwischen Lotte und ihrem zukünftigen Schwager: Auf den ersten Blick verlieben sie sich ineinander. Aber sie ignorieren ihre Gefühle, was viele Jahre später zu einer Tragödie führen wird.
Gina Kaus (1893 – 1985) verarbeitet in diesem Roman auch eigene Erlebnisse. Wie die jüngere der beiden Schwestern, Lotte, gehört auch sie zu den Frauen, die heute als „Die neue Frau“ bezeichnet werden. Sie führte ein unkonventionelles Leben, hatte nach einer kurzen Ehe eine Vielzahl von Beziehungen und nahm intensiv am intellektuellen Leben der damaligen Zeit teil, bevor sie 1933 nach Amsterdam, später in die USA emigrieren musste. Wie Lotte verlor sie ihre große Liebe – allerdings im Krieg.
Die Hauptprotagonistin ihres Romans, Lotte, wird Schauspielerin, eine recht erfolgreiche sogar und hat eine Vielzahl von Liebhabern und Verehrern, allein lieben kann sie keinen von ihnen. Als sie schwanger wird, gelingt es den beiden Schwestern, dies zu verheimlichen und das Kind als Irenes Sohn auszugeben, die nach einer Fehlgeburt keine Kinder mehr bekommen kann. Und nur Eula ahnt, wer der Vater des Kindes ist.
Es ist das Verdienst der editionfünf, daß sie diesen Roman wieder aufgelegt hat – noch dazu in einer so schön gestalteten Leinenausgabe! Mir hat er sehr gut gefallen. Durch die Perspektive von Eula, die die Einstellungen der „alten Ordnung“ vertritt, erleben wir die Umbrüche und die sich verändernden Einstellungen während und nach dem 1. Weltkrieg mit. Dadurch gelingt es der Autorin wunderbar, die verschiedenen Facetten der Gesellschaft und die sich ändernde Stelung der Frau herauszuarbeiten. Dabei wirkt die Sprache und Erzählweise des Romans immer noch frisch und ich folgte gerne den unterschiedlichen Schicksalen der beiden Schwestern.
Spannende, bewegende Lektüre!