Im Mittelpunkt dieses packenden Romans steht Nazperi Nalbantoglu, die von allen nur Peri genannt wird. Die Familie, in der sie aufwächst ist ein Abbild der türkischen Gesellschaft: Ihr Vater ist Kemalist, der dem Alkohol mehr zuspricht als es ihm gut tut und ständig im Clinch liegt mit seiner Ehefrau, die sich einem streng religiösen Prediger angeschlossen hat. Ihre beiden Brüder sind ebenso gegensätzlich: Einer ist Kommunist und wird zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt, der andere, lebt wie seine Mutter streng religiös und setzt sogar seine frisch geschlossene Ehe auf’s Spiel, als er die Jungfräulichkeit seiner Frau im Krankenhaus bestätigen lässt. Peri ist eine Nachzüglerin und versucht in diesem Spannungsfeld, ihren eigenen Weg und einen Gott zu finden, der ihr einerseits Stabilität, andererseits aber auch Freiheit lassen soll.
Die Suche nach Gott begleitet Peri auch nach Oxford, wo sie auf Wunsch ihres Vaters, der Bildung als Schlüssel zu einem guten, selbstbestimmten Leben sieht, studieren soll. Dort lernt sie zwei junge Mitstudentinnen kennen, die unterschiedlicher nicht sein können: Shirin, die einer weltlichen iranischen Familie entstammt, und Mona, eine Ägypterin, die aus freien Stücken das Kopftuch trägt. Alle 3 besuchen das Seminar eines charismatischen Professors mit dem Titel „Gott“. Ein Seminar, von dem vor allem Peri sich viel erhofft und das am Ende dazu führt, daß sie Oxford vorzeitig verlässt.
Eingebettet ist die Geschichte von Peri in eine Rahmenhandlung: Auf dem Weg zu einer Abendeinladung zu einem Istanbuler Geschäftsfreund ihres Mannes wird Peri überfallen und beinahe vergewaltigt. Dabei fällt ein Polaroidbild aus ihrer Handtasche, das sie, ihre beiden Freundinnen mit ihrem Professor zeigt. Und während sie den Gesprächen beim Essen folgt, lassen sich die Erinnerungen nicht mehr zurückdrängen.
Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen, aber es ist ein Roman, für den man sich Zeit nehmen muss. Schon die Anlage mit 2 Handlungsebenen ist komplex, denn in ihnen bildet sich das Bild der heutigen Türkei ab: In der Rahmenhandlung lernen wir die schwankende türkische Gesellschaft kennen, die sich nicht zwischen Religion und Weltlichkeit entscheiden kann.
Peri steht für die einzelnen Menschen: Sie ist zerrissen zwischen der westlich-säkulären und der östlich-religiös geprägten Kultur.
Was mir so besonders gut gefallen hat an diesem Roman ist nicht nur die schöne Sprache und die gelungene Konstruktion, sondern vor allem, daß die Autorin nicht versucht, zu werten oder Antworten zu geben. Die verschiedenen Ebenen des Romans spiegeln genau die Zerrissenheit der türkischen Gesellschaft und ihrer Menschen wider und das macht ihn so lesenswert.