„Hotel Silber. Neue Zeit, alte Schuld“. Lesung mit Kai Bliesener im Rahmen der 16. Stuttgarter Kriminächte
Bei der dritten Lesung im Rahmen der 16. Stuttgarter Kriminächte tauchten wir ein in die Stuttgarter Nachkriegszeit: Kai Bliesener stellte seinen Krimi Hotel Silber. Neue Zeit, alte Schuld in der Stadtbibliothek Bad Cannstatt vor. Die Stadtteilbücherei beteiligt sich schon seit langem mit Veranstaltungen an dem Krimifestival und legt dabei den Fokus stets auf Kriminalromane, die im Raum Stuttgart spielen. Da war natürlich der Krimi von Kai Bliesener gesetzt. „Hotel Silber“ ist der 2. Kriminalroman von ihm, ein dritter wird im April 2025 erscheinen.

Kai Bliesner. Oben sind die Bilder der historischen Vorbilder im Roman zu sehen. (© Foto Susanne Martin)
Ich hatte „Hotel Silber“ bereits gelesen und war sehr angetan von der Lektüre: Es ist ein sehr gut recherchierter, vielschichtiger Kriminalroman, der die ganze Widersprüchlichkeit der ersten Nachkriegsmonate aufzeigt und weit über einen Lokalkrimi hinausgeht. Dabei bleibt er spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Kai Bliesener stellte seine Protagonist:innen in ausgewählten Leseabschnitten vor und schilderte jeweils auch des historischen Hintergrund dazu. Die meisten seiner Figuren sind fiktiv, aber einige haben historische Vorbilder, die in großen Bildern hinter dem Lesetisch zu sehen waren. Für ein Schmunzeln im Publikum sorgte die Anmerkung des Bibliotheksleiters, der den ersten Nachkriegsbürgermeister Stuttgarts Arnulf Klett umgetauft hatte in Ernst Klett, den Schulbuchverleger, der ihm als Bibliothekar natürlich besonders nahe stünde.
Bei seinen Recherchen wurde der Autor von Mitarbeitenden des Erinnerungsortes Hotel Silber unterstützt, mit denen er zahlreiche Gespräche führte. Auch im Haus der Geschichte fand er Unterstützung. Denn auf Akten konnte er nicht zurückgreifen: Diese wurden alle vor dem Einmarsch der Franzosen vernichtet und zwar so gründlich, dass man heute nicht einmal weiß, wie. Aber es gibt Protokolle von Vernehmungen ehemaliger Gestapoleute, die an Folterungen und Verhören beteiligt waren, in die er Einsicht nehmen konnte. Diese Protokolle sind in rationalem, kühlen Juristendeutsch verfasst und lassen die Schrecken und Grausamkeiten, die sie schildern nur erahnen.
Es war ein Abend, der einen guten Einblick in den Roman bot und das zahlreich erschienene Publikum nutzte die Gelegenheit, dem Autor auch Fragen zu Recherche und manchem mehr zu stellen. Und ich nahm erfreut zur Kenntnis, dass Kai Bliesener bereits an einer Fortsetzung schreibt!
Der Erinnerungsort Hotel Silber hat übrigens auch eine sehr gute Website mit einem umfangreichen Digitalangebot und bietet regelmäßig auch Veranstaltungen an.