Wiedergelesen: „Das Spionagespiel“ von Michael Frayn
Stephen Wheatley kehrt als alter Mann zurück in das Viertel seiner Kindheit in einem englischen Villenvorort. Er erinnert sich zurück an eine Phase seiner Kindheit, die ihn für immer geprägt hat und die er jetzt noch einmal versucht zu verstehen.
Mitten im Krieg spielen Stephen und sein Freund Keith, Sohn reicher Eltern, ihre Spiele: Sie beobachten ihre Umgebung und die Nachbarn – im Nachbarhaus wohnen merkwürdige Gestalten, in einem anderen, scheinbar harmlosen Mann der Nachbarschaft glauben sie, einen Mörder zu entlarven. Und als Stephen eines Tages wieder zum spielen zu Keith kommt, überrascht ihn dieser mit einer schockierenden Nachricht: „Meine Mutter ist eine deutsche Spionin“. Und so beginnt das Spionagespiel, das im Gegensatz zu den bisherigen Spielen sehr schnell eine ganz andere, gefährliche Dimension bekommt. Tatsächlich verhält sich Stephens schöne, gelassene Mutter seltsam: Täglich besucht sie ihre Schwester ein paar Häuser weiter, manchmal mit einem Korb, in dem angeblich Einkäufe sind – jedoch zu merkwürdigen Zeiten. Und an wen schreibt sie immer Briefe, die sie täglich fortbringt? Und dann entdecken die beiden Jungen in ihrem Terminkalender, daß sie ganz offensichtlich regelmässige Verabredungen hat. Und wirklich: Keith’s Mutter hat etwas zu verbergen und Stephen bekommt eine Ahnung, was es sein könnte, tut aber im entscheidenden Moment das Falsche.
Die vielschichtige Geschichte wird konsequent aus der Perspektive der beiden 12 – jährigen Jungen erzählt und ab und zu gibt der alte Stephen aus seiner Erwachsenensicht der Handlung eine zusätzliche Spannung. Scheinbar merkwürdige Vorgänge entpuppen sich als völlig normal, andere wiederum haben eine völlig andere Bedeutung als die, die die beiden Jungen in ihnen sehen. Wir Leserinnen und Leser ahnen langsam, was das wirkliche Geheimnis von Keith’s Mutter ist, werden am Schluß jedoch noch einmal überrascht.
Stephen Frayn ist ein wunderbarer, spannender kleiner Roman gelungen, der es wirklich wert ist, wiedergelesen oder neu entdeckt zu werden. Er lebt von den immer wieder vorgenommenen Perspektivwechseln und der sprachlichen Raffinesse lebt. Von diesen sprachlichen Doppeldeutigkeiten geht leider manches zwangsläufig durch die Übersetzung ins deutsche verloren. Trotzdem: Unbedingt empfehlenswert!
Susanne Martin
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