Kürzlich habe ich Ihnen „Kopf in den Wolken“ von Paco Roca vorgestellt, in dem sich der spanische Zeichner mit dem Thema Alter und Demenz auseinandersetzt. In dieser, 2016 erschienen Graphic Novel nun nimmt er den Tod seines Vaters zum Anlass, davon zu erzählen, wie sich der Verlust der Eltern auf die Geschwister und die persönlichen Erinnerungen auswirkt.

Der Inhalt

Nach dem Tod ihres Vaters kommen José, Vicente und Carla in das geliebte Ferienhaus ihres Vaters, um es für den geplanten Verkauf vorzubereiten. Beim Entrümpeln und Renovieren erinnern sie sich zurück an die Zeiten, in denen sie in jeder freien Minute mit den Eltern hier waren. Stets gab es etwas zu tun, zu bauen und zu pflanzen. Im gemeinsamen Erinnern brechen jedoch auch Konflikte auf und die drei Geschwister fragen sich, ob es wirklich richtig ist, das Haus und damit womöglich auch ihre Erinnerungen zu verkaufen.

Die Zeichnungen

Wir schon in „Kopf in den Wolken“ zeichnet Roca in warmen, eher zarten Farben, manchmal unterscheidet sich die Farbgebung von Vergangenheit und Gegenwart, aber nicht durchgängig. Immer wieder fallen den Geschwistern Gegenstände in die Hand, die sie an zurückliegende Episoden erinnern, manche schön, manche auch anstrengend. Das Ferienhaus war für die Eltern sehr wichtig und die Kinder waren nicht immer begeistert davon, in jedem Urlaub bei Bauarbeiten oder dem Anlegen von Beeten helfen zu müssen, andererseits sind es aber auch gerade diese Erlebnisse, die ihnen handwerkliches Geschick oder die Liebe zu Pflanzen beibrachten. Aber es kommen auch die schwierigen Dinge zur Sprache: Haben sie sich genug um den Vater gekümmert, warum ist er so plötzlich gestorben, als er doch auf dem Weg der Besserung schien und hätte Vicente am Sterbebett anders entscheiden müssen oder zumindest Rücksprache mit seinen Geschwistern halten müssen? Für dieses Hin- und Herschwingen zwischen Gegenwart und Vergangenheit und für die Gespräche findet Paco Roca stimmige Bilder und Texte.

Meine Meinung

Diese Graphic Novel ist ganz anders als die schon erwähnte über Demenz. Während in „Kopf in den Wolken“ immer wieder auch ein liebevoller Humor hervorblitzt, ist dieses Buch eher wehmütig und leise. Mit hat besonders gut gefallen, wie der Zeichner zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt – das kenne ich aus eigenem Erleben: Man nimmt einen Gegenstand zur Hand oder ist an einem Ort, an dem eine Erinnerung auftaucht und die eigene Erinnerung kann entweder dieselbe sein, wie die Geschwister sie haben oder man erinnert die Dinge ganz unterschiedlich. Das fängt Paco Roca wunderbar ein. Auch die Frage, die sich durch das Buch hindurchzieht – sollen wir das Haus verkaufen oder nicht ist eine Frage, die viele Kinder, deren Eltern nicht mehr leben, beschäftigt. In seinem Nachwort schreibt der spanische Autor Fernando Marias, dass dieses Buch so etwas sei wie der letzte Spaziergang von Vater und Sohn. „Der tote Vater geht an der Seite seines Sohnes, der sich erinnert und erzählt.“ Besser kann man es nicht ausdrücken.

Fazit: Eine wirklich schön komponierte Graphic Novel mit einem Thema, in dem sich viele wiederfinden werden, die sich mit dem Tod der Eltern auseinandersetzen müssen.

Auf der Website des Reprodukt Verlages können Sie sich einen Eindruck von den Zeichnungen machen

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen und anzuschauen, können Sie es bei den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen. Die Links führen direkt in die Webshops der jeweiligen Buchhandlung.