Diese Graphic Novel behandelt ein schwieriges Thema: Alt werden und Demenz. Ich war gespannt, wie eine Comic dieses Thema umsetzen wird.
Emilos Sohn und seine Schwiegertochter sind verzweifelt: Der Vater wird immer verwirrter, verwechselt seine Zeit als Bankmitarbeiter mit der Gegenwart und kann sich selbst nicht mehr versorgen. Völlig entnervt geben sie ihn in ein Pflegeheim mit dem Versprechen, ihn dort regelmäßig zu besuchen.
Im Pflegeheim teilt sich Emilio sein Zimmer mit Miguel, der ihn in alles einweist und ihn vor allem vor dem ersten Stock warnt: Dort sind die Menschen untergebracht, die gar nicht mehr klar im Kopf sind. Auf keinen Fall wollen die Beiden dort oben enden. Umso größer der Schock für Emilio, als ein Pfleger ihm eines Tages versehentlich ein Medikament gibt, das für den dementen Mann einer Bewohnerin gedacht war und meint, als er seinen Fehler bemerkt „ist ja egal, Sie nehmen ja das gleiche Medikament“……
Demenz als Graphic Novel? Ja das geht. Und es geht sogar ganz wunderbar! Paco Roca gelingt es sehr gut, das Leben im Pflegeheim zeichnerisch darzustellen. Er nähert sich dabei seinen Figuren mit Respekt und Humor: Miguel ist ein pfiffiger Kleinkrimineller, der aber das Herz auf dem rechten Fleck hat und Emilio unterstützt wo er kann. Modesto und Dolores sind seit 60 Jahren verheiratet und als es Modesto so schlecht geht, daß er in den ersten Stock muss, begleitet ihn Dolores. Carmencita hat Angst, von Marsmännchen entführt zu werden und Dona Rosario wähnt sich die meiste Zeit im Orientexpress auf der Fahrt nach Istanbul. Roca zeichnet seine Bilder in warmen Tönen, und wechselt gekonnt zwischen Gegenwart und den Erinnerungen seiner Protagonist*innen. Besonders beeindruckt hat mich eine Doppelseite, auf der er die Eintönigkeit eines Tages darstellt: Über einer Reihe Stühle hängt eine Uhr, deren Zeiger von Bild zu Bild vorrücken. Die Stühle füllen sich, die Menschen sitzen unbeweglich da, manche werden abgeholt zum Essen und wieder gebracht und abends fragt Miguel Emilio „Na, wie war Dein Tag?“ Und auch, als Emilio langsam in das endgültige Vergessen abtaucht, findet er dafür die richtigen Bilder: Das Gesicht Miguels verschwindet nach und nach, manche Seiten bleiben weiss……
Mir hat sowohl der Stil der Zeichnungen, die warmen Farben und die Art und Weise, wie er ohne Worte deutlich macht, ob seine Figuren gerade in der Erinnerung oder in der Gegenwart unterwegs sind, als auch auch die Art, wie Paco Roca seine Geschichte erzählt, sehr gut gefallen. Manchmal konnte ich auch richtig schmunzeln ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.
In seinem Nachwort erklärt er, wie er für diese Graphic Novel recherchiert hat: Er ließ von Freund*innen Begebenheiten und Anekdoten aus ihrem Erleben erzählen und verbrachte einige Zeit in verschiedenen Altenheimen. Das habe ich diesem Buch angemerkt, für mein Gefühl ist die Atmosphäre eines Pflegeheimes sehr gut getroffen.
Fazit: Eine absolut gelungene Graphic Novel, die ihren Leser*innen und Betrachter*innen das Thema Alt werden und Demenz realistisch und warmherzig nahe bringt.
Auf der Website des Repordukt Verlages, in dem das Buch erschienen ist, können Sie sich einen Eindruck von den Zeichnungen und der Erzählweise machen.
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