Diesen Roman las ich im Rahmen meiner Juryarbeit für den Literaturpreis „Christine“ und weil er mir sehr gut gefiel, habe ich ihn als Lektüre für den Lesekreis auf der Rohrer Höhe vorgeschlagen. Ich war gespannt, wie er dort ankommen würde, nachdem er den Preis zwar nicht erhalten hat, jedoch immerhin auf der Shortlist für den Preis gelandet war.

Der Inhalt

Der Verlag fasst den Inhalt kurz und bündig so zusammen: „Großmutter, Mutter und Tochter. Dazwischen zwei Kontinente, ein Jahrhundert und ein Geheimnis, das die Familie zerreißt: Marys Großmutter Rosa wird wie eine Heilige verehrt. Wenn Mary nach dem Grund fragt, bleibt ihre strenge Mutter Erika stumm. Wollte sie doch mit der Flucht nach Australien in den 1940er Jahren alles hinter sich lassen. Als alte Frau kehrt Erika in ihre Heimat zurück, und die Erinnerung kommt mit aller Macht wieder. Sie erzählt, und ihre Tochter Mary begreift, warum für die Frauen ihrer Familie Liebe immer nur Verlust bedeutet hat.“ (© Hanser Verlag)

Meine Meinung

Für den Lesekreis las ich das Buch noch einmal, denn obwohl es mir schon beim ersten Lesen sehr gut gefallen hatte, war mich doch einiges nicht mehr so ganz präsent. Das liegt sicher auch an der ziemlich komplexen Form, die Beatrix Kramlovsky ihrem Buch gegben hat: Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt, sondern die Zeitebenen verschieben sich immer wieder von der Gegenwart hin in die Vergangenheit der Mutter- und Großelterngeneration. Dazu kommt ein großes Personentableau. Das waren auch die Hauptkritikpunkte der Mitlesenden, die meine Begeisterung für das Buch leider nicht teilen konnten.

Ich hatte jedoch damit weder beim ersten, noch beim zweiten Lesedurchgang ein Problem, denn ich war sehr schnell drin in der Geschichte der 3 Frauen. Mary, aus deren Perspektive wir viel erfahren, hatte immer ein problematisches Verhältnis zu ihrer Mutter, die Zeit ihres Lebens unglücklich in Australien war und sofort nach dem Tod ihres Mannes in ihre Heimatstadt Linz zurückkehrt. Wir Leserinnen erfahren früher als Mary den Grund: Mary ist ihrer Großmutter Rosa sehr ähnlich, die während des Krieges verbotene Bücher las, Menschen versteckte und schließlich nach Denunziation erschossen wurde. Erikas schroffes, ablehnendes Verhalten Mary gegenüber liegt in ihrer Angst begründet, daß die Tochter ähnliche Schwierigkeiten bekommen könnte, wie ihre Mutter. Deren Tod hat sie nie verwunden, ebenso wie die Verluste, die sie danach in ihrem Leben noch hinnehmen musste. Mit ihrer Tochter jedoch sprach sie nie darüber. Erst als Mary nach einem Anruf einer alten Freundin ihrer Mutter nach Österreich reist, um für die mittlerweile dement werdende Mutter einen Pflegeplatz zu finden, enthüllt sich ihr die Geschichte der beiden Frauen nach und nach. In ihren klaren Momenten spricht die Mutter von ihren Erlebnissen und von dem Groll, den sie gegen die Mutter Rosa hegte: Während viele sie für eine Heldin hielten, sorgte ihr Verhalten im Erleben ihrer Tochter für Ängste und letztendlich die Zerstörung der Familie. Rosa selbst, die titelgebende Lichtsammlerin, wie sie manchmal genannt wurde, ist eher eine indirekte Hauptperson. Von ihr selbst lesen wir gar nicht so viel, aber ihr Verhalten hat großen Einfluss auf die Schicksale ihrer Tochter und Enkeltochter Jahrzehnte über ihren Tod hinaus.

Neben der generationenübergreifenden Familiengeschichte ist dies aber auch ein Roman über den Verlust von Heimat und auch das Thema Migration schwingt durchgehend mit. Während Erika den Verlust ihrer Heimat Österreich nicht verwunden hat und ihre Leben lang unter Heimweh leidet, ist Mary überzeugte Australierin. Auch wenn sie, wie ihre Mutter, tragische Verluste hinnehmen muss, fühlt sie sich wohl in dem Land, in dem viele Einwohner:innen ihre kulturellen Wurzeln in Europa haben, sie liebt die Landschaft, das Meer und die Eukalyptuswälder, während Erika die Tannewälder ihrer österreichischen Heimat fehlen. In den Monaten, die sie mit der kranken Mutter in Linz lebt, vermisst sie diese Heimat so, wie einst ihre Mutter Österreich. Aber dennoch ist die Zeit für sie wichtig, denn sie kommt zu einem neuen Verständnis für ihre Mutter, viele Leerstellen in ihrem Leben füllen sich und sie kann ihren Frieden mit der Mutter machen.

Fazit: Mir hat dieser Roman wirklich sehr gut gefallen. Das, was meinen Mitlesenden nicht gefiel, die literarische Konstruktion und die Dichte, in der Beatrix Kramlovsky erzählt, hat mich sehr angesprochen. So wie sich Mary langsam vorantastet und Licht in ihr Leben bringt, tasten auch wir Leserinnen uns voran im Leben dreier starker Frauen. Von mir also eine absolute Leseempfehlung!

Einen Eindruck von Stil des Buches können Sie sich in dieser Leseprobe verschaffen

Eine ausführliche Rezension auf der Seite des Literaturhauses Wien finden Sie hier

Auf der Seite des Hanser Verlages zum Buch finden Sie außerdem ein Interview und eine Videolesung mit Beatrix Kramlovsky

Zur Website der Autorin

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