Die Autobiographie von Günter Grass, einem der großen deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit ist sicher eine der wichtigsten Neuerscheinungen dieses Bücherherbstes 2006. Er erzählt von sich selbst, vom Ende seiner Kindheit, die er sehr genau datieren kann: Es war der 1. September 1939. Er erzählt von seiner Jugend, den letzten Kriegswochen in einer Einheit der SS und seiner Zeit im Kriegsgefangenenlager.
Schon von Kind an ist er fasziniert von der Kunst und möchte Künstler werden. Seine Erinnerungen enden mit dem Erscheinen seines großen Werkes "Die Blechtrommel", denn mit dem Erscheinen dieses Debütromans ist für ihn ein wichtiger Entwicklungsprozess seiner Persönlichkeit abgeschlossen. Günter Grass sagt in einem Gespräch über das autobiographische Schreiben: "Zuerst muß man alt genug werden, um dieses Wagnis überhaupt einzugehen, über sich selbst zu schreiben. Bis dahin war ich den Versuchungen des autobiographischen Schreibens gegenüber skeptisch, Man kann das nur machen, wenn man bereit ist, sich auf die Spur zu kommen, sich selbst aufzudecken. Aufdecken heißt in dem Fall auch, die eigenen Erinnerungen kritisch zu befragen, denn die allzumenschliche Erinnerung neigt dazu, zu schönen, zu verfälschen, das ganze ins anekdotisch Plausible zu verkürzen. Behilflich ist mir in diesem Zusammenhang die Titel – Metapher vom "Häuten der Zwiebel" gewesen, weil sich im Erinnerungs- und natürlich im Schreibprozess immer wieder einen neue Haut unter der Haut zeigt, sich eine neue Lesart aufdrängt. Sie bringt etwas ans Licht, was verschüttet war, einfach vergessen oder bewusst verdrängt, Gegenstände und Geheimnisse, Träume und Traumata. Und dann gibt es Dinge, an die ich mich zu erinnern glaube, und schon bieten sie sich in Variationen an,. Behaupten, es ist so oder so, kann aber auch so gewesen sein. Man wählt aus, reimt sich etwas zusammen oder räumt Unsicherheiten ein, um sich glaubwürdiger zu machen." (Quelle: Steidl Verlag, Programmvorschau Herbst 2006) Diese Aussage zeigt, worum es Grass beim Schreiben seiner Autobiographie geht, denn die Skepsis gegenüber dem eigenen Erinnerungsvermögen wird in seinem Buch mit erzählt. Ungeachtet der aktuellen Diskussion ist die Lektüre dieses Buches deshalb nicht nur im Hinblick auf das Leben des Schriftstellers interessant, sondern auch im Hinblick darauf, wie wir mit unseren Erinnerungen umgehen und wie wir sie darstellen.