Mittagsstunde am Abend in Stuttgart
Dicht gedrängt standen die Stühle in der Buchhandlung Wittwer Thalia, auf denen ich gemeinsam mit zahlreichen anderen Gästen Platz genommen hatte und gespannt auf die Bestsellerautorin Dörte Hansen wartete. Ihre beiden Bücher Altes Land und Mittagsstunde hatte ich begeistert angehört und war nun gespannt, wie es sich anhört, wenn die Autorin selbst liest.
Bevor die zierliche Autorin mit ihrer Lesung begann bekamen wir Süddeutschen ein wenig Heimatkundeunterricht: Mittagsstunde, das spielt in Nordfriesland und nicht in Ostfriesland – die beiden nordeutschen Gegenden werden in unseren südlichen Breitengraden anscheinend gerne einmal durcheinander geworfen. Das zumindest hat Dörte Hansen auf ihren zahlreichen Lesereisen in Süddeutschland leidvoll erfahren. In der Reihe hinter mir wurde empört aufgestöhnt, zur nachfolgenden Erklärung, daß ihr Roman in der nordfriesischen Geest spielt, die zwischen der Marsch und dem Hügelland liegt, zustimmend gebrummt.
Vieles von dem, was sie aus dem (fiktiven) Dorf Brinkebüll erzählt, beruht auf eigenen Erfahrungen, erzählte uns Frau Hansen. Die Besuche des Scherenschleifers beispielsweise, der im Rock durch Brinkebüll geht, gehören zu ihren frühesten Erinnerungen. Spätestens jetzt war klar, daß ich vor Menschen saß, die aus diesem Landstrich kamen, denn hinter wurde eingeworfen, daß man den auch kenne „Der war auch in Flensburg unterwegs“ wurde vergnügt in lupenreinem Hochdeutsch nach vorne gerufen. Aber auch die Flurbereinigung erlebte die Autorin mit und in der Schule begegnete sie selbst einem Lehrer wie Stensen, auch wenn der nicht mehr haute, „also nur noch ein bißchen“ erzählte sie augenzwinkernd.
Wir lernten Dörte Hansen als eine wirklich humorvolle, lockere Autorin kennen, die auch ihre Leseabschnitte sehr klug wählte: Wer das Buch noch nicht kannte, wurde neugierig, denn sie verrieten nicht zu viel, wer wie ich, das Buch schon gelesen bzw. gehört hatte, freute sich, die Szenen noch einmal mit zu erleben. Auch wenn Hannelore Hoger das Buch wirklich sehr gut liest, so war doch in den plattdeutschen Abschnitten ein Unterschied zu hören: Bei Dörte Hansen klang das noch einen Tick echter.
Die Zeit verging wie im Fluge und nach der Lesung bildete sich rasch eine lange Schlange am Signiertisch. Der einzige Wermutstropfen für mich war, daß es im Anschluss keine Fragerunde gab – hier wäre sicher noch so manches Interessante zu erfahren gewesen!
Text und Bilder: Susanne Martin