Frust am Freitagmorgen
Vielleicht geht es Ihnen auch so wie mir am Freitagmorgen: Ein fester Bestandteil der Morgenlektüre in der Stuttgarter Zeitung ist die Seite „Das Buch“. Besprochen werden Neuerscheinungen, manchmal gibt es eine Sonderseite „Das politische Buch“ oder eine für Kinderbücher. Und unten rechts sagt ein/e Buchhändler*in aus der Region was gut verkauft wird und besonders empfehlenswert ist – ein schöner Hinweis auf stationäre Buchhandlungen. Seit geraumer Zeit fällt mir im Kulturteil nun auf, daß sich die Berichterstattung in Richtung Netflix und Co. verschiebt. Zu den Buchwochen gab es letztes Jahr keine Beilage mehr, sondern nur noch eine Doppelseite, die Krimikolumne ist schon lange in’s Netz abgewandert.
Zum zweiten Mal in diesem Jahr ist nun die Buchseite komplett entfallen, diesen Freitag gab es lediglich eine Besprechung des neuen Julian Barnes, vor 2 oder 3 Wochen gab es nur eine Besprechung des neuen Romans von John Lanchester. Dafür jeweils eine halbe Seite über irgendeine Serie, die gestreamt werden kann.
Nun steht es außer Frage, daß die die Medienlandschaft und der Medienkonsum sich im Moment gravierend verändern und daß eine Zeitung darauf reagieren muss. Ich habe auch nichts gegen Besprechungen von Netflix oder amazon – Serien, ich muss sie ja nicht lesen. Ich frage mich allerdings, inwieweit die StZ ihre Kernzielgruppe noch im Blick hat. Von einer Zeitung, die den Anspruch erhebt, auch überregional interessant zu sein, erwarte zumindest ich einen anständigen Kulturteil, der auch das Buch und die Literatur angemessen berücksichtigt.
Das gilt übrigens ebenso für die Berichterstattung über literarische Veranstaltungen in der Stadt: Kein Wort über wunderbare Veranstaltungen mit Judith Schalansky oder Ulrike Draesner im Literaturhaus Stuttgart dieses Frühjahr, nichts über die neue Lyrik – Stpiendiatin im Stuttgarter Schriftstellerhaus, die immerhin dem SWR2 einen Bericht wert war.
Anbiederung beim Serienpublikum?
Nirgendwo habe ich eine Erklärung dafür gefunden, was mit der Buchseite los ist – an Neuerscheinungen besteht ja nun wahrhaftig kein Mangel, daran kann es also nicht liegen. Ich befürchte eher, daß sich die Redaktion beim Serienpublikum anbiedern will, in der Hoffnung, damit Leser*innen zu halten oder -womöglich- dazu zu gewinnen. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist das ein vergebliches Unterfangen. Diejenigen, die streamen, finden ihren Stoff auf anderen Kanälen und die Meinung der StZ über die Qualität derselben ist ihnen herzlich egal. Diejenigen aber, die sich für qualifizierte Buchbesprechungen oder das Stuttgarter Literaturleben interessieren werden sich dann eben auch andere Kanäle suchen müssen. Und das finde ich sehr schade.
Nachtrag: Diesen Text habe ich zuerst auf meinem persönlichen Facebookprofil veröffentlicht und bekam dort eine ganze Reihe von Rückmeldungen, manche zustimmend, aber auch welche, in denen mir in gesagt wurde, daß Literatur als Thema einfach out ist. Andere wiederum führen das auf eine Sparmaßnahmen zurück, die nicht unbedingt nötig wären, wenn die deutschen Zeitungen sich rechtzeitig um bessere Digitalkonzepte gekümmert hätten. Es wurde auch gefragt, warum die StZ nicht viel mehr in literarische Events einsteigt, wie es z.B. in den USA gemacht wird.
Ein paar nachträgliche, eigene Gedanken
Auch mir fiele noch manches dazu ein: Die Seite heißt „Das Buch“. Warum wird der Begriff nicht auch so aufgenommen und die Redaktion geht ein Stück weg vom üblichen Literaturfeuilleton? In anderen Teilen der Zeitung gibt es beispielsweise immer wieder zu einem Thema eine Sparte „Pro“ und „Kontra“. Warum nicht ab und zu einmal zu einem Buch? Pro oder Kontra könnten nach meinem Empfinden auch gut einmal zu weniger literarischen Titeln kommen, die dennoch große Erfolge sind und für die sich die Rezensent*innen vielleicht etwas zu fein sind. Warum also nicht die Feuilletonmeinung gegen die einer begeisterten Leserin oder Lesers stellen oder einer Buchhändlerin aus einer der Buchhandlungen vor Ort? Damit könnte sich die Seite auch für regional interessierte Zeitungsleser*innen interessant machen, die nicht unbedingt von der literarischen Seite her kommen, sondern einfach gerne lesen. Schließlich muss doch nicht immer in den Wettbewerb der überregionalen Feuilletons unter dem Motto „Wer schreibt den besten Verriss oder die beste Hymne“ eingestiegen werden. Es gibt auch interessante literarische Blogs, deren Betreiber*innen zu Gastbeiträgen eingeladen werden könnten (natürlich gegen entsprechende Honorierung!). Meine Erfahrung aus vielen Jahren Buchhandeln ist: Viele Leser*innen suchen nach der persönlichen Empfehlung, der Orientierung im für sie oft unübersehbaren Meer der Neuerscheinungen. Eine Zeitung kann hier einen Beitrag leisten!
Auch das Thema Literaturevents fände ich spannend. Es gibt es genügend regionale Literaturfestivals, die über eine Medienpartnerschaft hinaus mit eigenen Veranstaltungen angereichert werden könnten. Und der SWR hat es vorgemacht, wie man auch als Konzertveranstalter auftreten kann – warum sollte die Stuttgarter Zeitung im Verbund mit anderen literarischen Institutionen nicht so etwas gewinnbringend aufbauen können?
Ich sehe die Redaktion schon müde abwinken, der Kostendruck, der Konkurrenzdruck und insgeheim vielleicht auch immer noch der Wunsch, mit den ganz großen, überregionalen Zeitungen gleichziehen zu können. Aber Leser*innen wie ich, die Print schätzen, die regional verankert sind und genau deshalb die Stuttgarter Zeitung für einen nicht unerheblichen Betrag abonniert haben, schätzen die Mischung aus überregionaler und regionaler Berichterstattung. Sie brauchen vielleicht nicht immer nur Rezensionen der literarischen Spitzentitel, sondern freuen sich über Entdeckungen aus der Midlist, wie das in der Buchbranche gerne genannt wird: Interessante Bücher, die von den Verlagen veröffentlicht werden, aber nicht mit dem Werbebudgets ausgestattet sind wie die Spitzentitel. Es darf auch gerne mal ein Krimi dabei sein, ein Fantasyroman oder ein Science Fiction.
Also, liebe Stuttgarter Zeitung – gib Dir einen Ruck und kümmere Dich wieder richtig um’s Buch und das literarische Leben in Stuttgart! Wenigstens ich, vielleicht aber auch viele andere werden es Dir danken!
Text und Bilder: Susanne Martin