Dror Mishani stellt Avi Avraham vor – Eine Lesung im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte
Zum ersten Mal war ich einfach nur als interessierte Leserin auf einer Veranstaltung der Stuttgarter Kriminächte. Trotzdem führte mich mein Weg als erstes zum Büchertisch, alte Gewohnheiten lassen sich nicht so schnell abstellen!
Ausgesucht hatte ich mir die Lesung von Dror Mishani, einem israelischen Krimiautor, der seinen dritten Kriminalroman im Gemeindesaal der israelitischen Religionsgemeinschaft vorstellte. Schon als wir das Gebäude betraten wurde, mussten wir unsere Personalausweise vorweisen. Uns wurde bewußt, daß wir an einem Ort waren, der als gefährdet gilt, und zwar nicht wegen der kriminellen Veranstaltung, die wir besuchen wollten.
Dror Mishani erwies sich als äußest charmanter und zugewandter Mensch, der auch die Tücken der Tonanlage, die parallel zum Gespräch immer wieder geheimnisvolle Nebengeräusche produzierte, mit Humor kommentierte. Im Gespäch mit der früheren Lektorin und heutigen Bildungsreferentin Angelika Vogt lernten wir seinen neuen Roman „Die schwere Hand“, seinen Ermittler Avraham Avraham und das Team, das er leitet, näher kennen.
Man merkte, daß er Literaturprofessor mit Schwerpunkt Kriminalliteratur ist, denn er bezog sich immer wieder auf Klassiker der Kriminalliteratur, wenn er über sein Schreiben sprach. Auf den Namen seines Ermittlers Avraham Avraham angesprochen, erklärte er, daß er selbst dachte, er hätte diesen Namen gewählt, weil zum einen Doppelnamen in Israel immer für ein Lächeln sorgen und außerdem ein Klassenkamerad so hieß. Den wahren Grund habe ihm jedoch ein Leser genannt: „Abraham, Abraham“ ruft Gott Abraham zu, als er Isaak opfern will. Und sein erster Roman „Vermisst“ ist ein Vater-Sohn-Konflikt, daher , so der Leser, muss der Ermittler einfach so heißen.
Angesiedelt sind seine Kriminalromane in Cholon, einem Industrieviertel in Tel Aviv. Sie könnten aber, wie ihm sein amerikanischer Verleger wissen ließ überall auf der Welt spielen. Es ist nicht Mishanis Ansinnen, einen Roman über Israel zu schreiben und dabei die israelische Gesellschaft zu „kartographieren“. Er möchte über den israelischen Alltag eines Ermittlers schreiben – in israelischen Romanen erfährt man nämlich of viel über gesellschaftlich wichtige Themen, aber wenig darüber wo das Geld herkommt oder ob es eine Kantine am Arbeitsplatz gibt. Entsprechend verblüfft war auch ein Kommissar, mit dem er sich traf, als er darüber befragt wurde und nicht über komplizierte Ermittlungsmethoden, DNA oder ähnliches.
In seinen Kriminalromanen erleben die Leser*innen immer zwei Perspektiven und Mishani möchte, daß der Leser bei ihm mehr weiß als der Ermittler, im Gegensatz zum klassischen Detektivroman, in dem Kommissar oder Detektiv am Ende einem überraschten Publikum Täter oder Täterin präsentiert. Für ihn ist jeder Kriminalfall eine Tragödie und ihn interessiert, warum die Menschen zu Tätern werden. „Es ist wie ein Stein, der in einen See geworfen wird und dann Kreise zieht.“ Diesen Kreisen möchte er nachgehen und die Spannung in seinen Romanen resultiert auch daraus, ob es dem Ermittler überhaupt gelingen wird, den Fall aufzuklären.
Avi Avraham ermitelt auch nicht alleine, sondern ist Teil eines Teams, in dem Mizrachim (aus Nordafrika eingewanderte Juden) mit Askenazi (europäischen Juden) zusammenarbeiten, was durchaus für Spannungen sorgt. Und mindestens geanuso wichtig wie die Fälle, in denen Avi ermittelt ist Dror Mishani die wechselvolle Beziehungsgeschichte zwischen Avi und seiner slowenischen Freundin Marianka.
Zwischen den einzelnen Gesprächsabschnitten las Barbara Stoll, bekannt als die „Stimme von arte“ Ausschnitte aus dem Kriminalroman, die so anregend waren, daß ich fast versucht war, noch einmal zum Büchertisch zurückzukehren und auch dieses Buch mitzunehmen. Aber ich habe mich beherrscht und werde nun, ganz wie es sich gehört, mit dem ersten Band beginnen und bin schon sehr gespannt auf diese Lektüre. Besprechung folgt alsbald!
Nachtrag: Inzwischen habe ich das Buch gelesen. Meine Meinung darüber können Sie hier nachlesen
Text: Susanne Martin, Bilder: Frauke Ehlers und Susanne Martin
Die Romane von Dror Mishani können Sie hier bestellen
Ein ausführliches Interview mit Dror Mishani gibt es auf krimicouch.de
Eine ausführliche Besprechung in der ZEIT von Dror Mishanis neuem Roman „Die schwere Hand“ können Sie hier lesen