Den Tiger umarmen. Ein Taiji – Wochenende im Kloster Bonlanden
Seit über 20 Jahren treffe ich mich mit einer Gruppe BücherFrauen an einem Wochenende im Juli, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Begonnen haben wir einmal als eine Gruppe Frauen, die sich in ihrer Führungsrolle weiter entwickeln und stärken lassen wollte, inzwischen sind unsere Themen über das berufliche hinaus gewachsen: Oft beschäftigen wir uns mit Lebensthemen, die nicht nur das berufliche, sondern das ganze Leben bestimmen. So näherten wir uns beispielsweise dem Thema „Veränderungen“ mit „Lego Serious Play ™“ , beschäftigten uns mit unseren Lebenslinienbildern anhand der Theoire U oder erforschten, wie wir unsere Resilienz stärken können.
Für dieses Jahr hatten wir uns vorgenommen, einmal weg vom Kopf hin zum Körper zu gehen und mit Silke Buttgereit eine BücherFrau eingeladen, die sich seit vielen Jahren mit verschiedenen Kampfkünsten beschäftigt und dazu auch Kurse gibt. Unser Tagungsort, das Kloster Bonlanden in Oberschwaben erwies sich ein weiteres Mal als idealer Ort für dieses Vorhaben, nicht nur, weil es im Klostercafé köstliche selbstgemachte Kuchen- und Eiscreationen gibt!
Taiji – Nicht Selbstoptimierung sondern Selbstkultivierung
Von Freitagabend bis Sonntagnachmittag erlernten wir nicht nur einige Übungsabfolgen des Taiji, sondern vor allem, unseren Körper anders wahrzunehmen und zu bewegen. „Harmonie zwischen Ober- und Unterkörper – Bewegen aus der Mitte“ lautete die Ansage unserer Trainerin. Okay, aber was genau soll das heißen, fragte ich mich? „Beweg nicht Deine Arme, sondern den Körper“ war die Antwort – sie hätte auch sagen können „schlenker doch einfach mal mit den Armen“. Das gelang eigentlich recht rasch, viel schwieriger waren für mich dann kleine Koordinationsaufgaben verbunden mit Klopfübungen, aber damit war ich nicht alleine.
Lass deine Bewegungen fliessen wie Wasser im Fluss
„Entspanntheit ist die Quelle Deiner Kraft“ war eine zentrale Aussage des Wochenendes, das wir dann versuchten einzuüben. In der Theorie wissen wir natürlich, daß rohe Gewalt nicht zum Ziel führen kann, aber kleine Körperübungen ließen uns das auch sinnlich erfahren. In der Bewegunsabfolge „Den Tiger umarmen“ lernten wir dann, wie schwierig es sein kann, die Bewegungen langsam fließen zu lassen, spürten dabei jedoch gleichzeitig, wie die Konzentration auf Körper und Figuren recht schnell Ruhe im Kopf einkehren ließ.
Yin und Yang – Ohne unten kein oben
Zwei Abschlussübungen am Ende des Seminars fassten noch einmal zusammen, worum es bei Taiji geht: Ohne unten kein oben – Yin und Yang stehen genau dafür. Um richtige Balance im Auf und Ab des Tages zu finden gehört zwingend, auch den Körper in Balance zu halten. Dazu dienten – schließlich handelte es sich um ein BücherFrauenwochenende – Bücher auf unserem Kopf. Jede Teilnehmerin war aufgefordert, ein dickes Buch mit zu bringen und mit diesen sollten wir durch den Raum gehen, nein eher schreiten. Bewusst gehen, den Boden spüren und dann irgendwann den Tiger umarmen und das alles mit einem Buch auf dem Kopf – eine echte Herausforderung!!
Aber TaiChi ist auch eine Kampfkunst – das zeigte uns dann das Abschluss – Smankerl, das Silke Buttgereit für uns vorbereitet hatte: Arbeiten mit dem Taiji – Fächer, der in dieser Kampfkunst sowohl als Angriffs- als auch als Verteidigungswaffe dient. Nachdem wir alle gelernt hatten, den Fächer mit einer (mehr oder weninger) eleganten Bewegung aus dem Handgelenk zu öffnen, erlernten wir auch hierzu eine Bewegungsabfolge, mit der wir potentiellen Gegnern elegant entgegentreten können.
Nicht nur für mich war dieses Wochenende eine bereichernde Erfahrung. Den Tiger umarmen oder den Fächer mit einem eleganten Knall öffnen – diese Bewegungsabfolgen erfordern natürlich viel längeres und regelmäßigeres Einüben. Aber wie wichtig es ist, Gelassenheit in den Alltag durch körperliche Praxis zu bringen, wurde mir einmal mehr klar. Und so wird nun morgens in unserem Wohnzimmer das morgendliche Yoga wenigstens durch Klopfübungen aus dem Taiji ergänzt!
Text: Susanne Martin, Bilder: Susanne Martin und Barbara Otto-Treutmann