Beschreiben was ist – Buchpremiere von „Der freie Hund“ mit Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo
Dass bei Buchpremieren mit Wolfgang Schorlau großer Andrang herrscht ist bekannt und so fand ich mich lieber eine 3/4 Stunde vor Beginn im Hospitalhof ein, um noch einen Platz in den vorderen Reihen zu bekommen bei der Buchvorstellung des neuen Venedig – Krimis von ihm und seinem Co – Autor Claudio Caiolo. Ein weiser Entschluss, denn der Paul-Lechler-Saal war mit über 800 Gästen bis auf den letzten Platz besetzt.
Moderatorin Maike Albath führte ein sehr unterhaltsames Gespräch mit Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo, zwei kurze Lesepassagen machten Appetit auf mehr. Wer sich wie ich gefragt hatte, warum Schorlau um Himmels Willen plötzlich einen Venedig – Krimi schreibt, erhielt gleich zu Beginn Aufklärung: Schon lange möchten die alten Freunde ein gemeinsames Projekt stemmen, allein, es mangelte am passenden Thema. Eine Reise von Wolfgang Schorlau nach Venedig zusammen mit seinem Sohn brachte dann die Erleuchtung, wobei es eigentlich eher ein Schatten war: Der Schatten eines Kreuzfahrtschiffes, das sich plötzlich über den sonnigen Platz legte, auf dem Vater und Sohn standen und das Entsetzen über die Touristenmassen, die die Stadt fluteten.
Das Thema war also gefunden und man erfand Commissario Antonio Morello aus Sizilien, der zu seinem eigenen Schutz nach Venedig versetzt wird. Er hatte in seiner Heimat korrupte Politiker verhaftet und steht deshalb auf der Todesliste der Mafia.
Überzeugungsarbeit beim Verlag war notwendig
Nun galt es, den Verlag zu überzeugen. Der war nämlich nicht gerade begeistert. Ich hatte ja gedacht, daß es sich um eine Auftragsarbeit handelte, denn regionale Krimis, die überall in der Welt spielen, haben gerade Hochkonjunktur, man denke nur an die ebenfalls im Kiepenheuer & Witsch Verlag erscheinende Reihe um Leander Lost, den Kommissar mit Asperger – Syndrom, der in Portugal ermittelt. Aber dem war nicht so und das frischgebackene Autorenduo musste doch einige Überredungskünste aufwenden, um das Lektorat von seinem Projekt zu überzeugen.
Ein sorgfältig ausgearbeitets Exposé war, sicher nicht nur bei der Überzeugungsarbeit, sondern auch für die Zusammenarbeit eine wertvolle Grundlage: In ihm wurden die Charaktere genau festgelegt, denn in dem sich anschließenden 1 1/2 jährigen Schreibprozess war es wichtig, daß Beide genau wussten, wie sich die Figuren verhalten werden, um Ungereimtheiten und Konflikte zu vermeiden. Die gab es auch so genug, vor allem in Hinblick auf die Länge von Szenen. Claudio Caiolo kommt vom Theater, lebte auch einige Jahre in Venedig, und hat zahlreiche Theaterstücke und Drehbücher geschrieben. Er schrieb vor allem die Dialoge und Szenen, die Schorlau jedoch oft viel zu lang waren. Als erfahrener Buchautor weiss er um den Unterschied zwischen Romanen und Theaterstücken oder Filmen. Die Handlung wird übrigens durchgehend aus der Perspektive von Kommissar Morello geschildert, als Leser/in erfährt man nie mehr als er.
Danksagung unerwünscht
Es konnte nicht ausbleiben, das Maike Albath auch auf die Anwürfe der seit Jahrzehnten in Venedig lebenden deutschen Journalistin Petra Reski zu sprechen kam, die sich juristisch gegen die Danksagung im Anhang des Buches verwahrte und dem Autorenduo in einem Blogbeitrag die hemmungslose Plünderung ihrer Arbeit vorwirft. Das sieht Wolfgang Schorlau naturgemäß anders – er zeigte sich überrascht von den Vorwürfen und fragt sich, warum die Journalistin nicht vorher das Gespräch mit ihm gesucht hat und auch, warum sie das zugesandte Manustkript nicht vor Veröffentlichung las. Ich habe mich das schon vorher ebenfalls gefragt, allerdings fragte ich mich auch, warum Nachwort, von Gesprächen in Venedig und Stuttgart die Rede ist, wenn es nur ein Gespräch in Venedig gab. Andererseits störte mich die Tonaliät des Blogbeitrags auch ganz erheblich, da schimmerte für mich neben Empörung schon auch eine gewisse Arroganz durch und über das Streuen der Vorwürfe in den sozialen Medien lief die Empörungmaschine ja dann auch wie geschmiert. Die Danksagung jedenfalls wird in den kommenden Auflagen fehlen, auch der Name der Journalistin, für die Petra Reski Vorbild und der als Hommage an sie gedacht war, wurde bereit geändert.
Wolfgang Schorlau ist als akribischer Rechercheur bekannt, natürlich wird er sich auf dem Blog von Petra Reski informiert haben – so wie vermutlich in zahlreichen anderen Artikeln, auch Claudio Caiolo griff auf italienische Mafialiteratur zurück. Was in dem Gespräch deutlich wurde ist, daß beide einen Blick hinter die Traumkulissen von Venedig werfen und vor allem die Verflechtung der Mafia mit der italienischen Politik thematisieren wollen. Hier wurde es auch im Saal sehr ruhig, als Claudio Caiolo von seinen Jugenderfahrungen mit der Mafia auf Sizilien berichtete, von den Methoden, wie das Wahlsystem dort genutzt wird, um genügend Abgeordnete ins Parlament zu bringen, auf das dann entsprechender Einfluss genommen werden kann. Die ganze Dimension dieser Einflussnahme wurde ihm erst im Verlauf der Arbeit an diesem Buch klar.
Kein romantisch verklärter Blick auf Venedig
Folgerichtig werde ich also auch keinen Roman über Vendig lesen, der die schöne Kulisse der Stadt zeigt – etwas anderes hätte ich bei einem Krimi, an dem Wolfgang Schorlau mitgeschrieben hat, auch nicht erwartet. Das Autorenduo will den Blick, den Deutsche auf Südeuropa haben, in dem sich Verklärung und Verachtung oft mischen, aufbrechen und „beschreiben was ist“.
Es war ein interessanter und kurzweiliger Abend und ich freue mich schon auf die Lektüre, auch wenn mir klar ist, daß ich keinen Dengler – Roman lesen werde. Aber ich gönne Wolfgang Schorlau die kreative Auszeit, die er sich immer wieder einmal nimmt. Und ich nahm, wie die anderen Zuhörer/innen erfreut zur Kenntnis, daß Dengler gerade wieder sehr beschäftigt ist, auch wenn sein Auftrag noch strengster Geheimhaltung unterliegt. Zum Ende des Jahres, vielleicht auch erst im kommenden Jahr werden wir mehr wissen!
Text: Susanne Martin / Bilder: Frauke Ehlers und Susanne Martin
Mehr Informationen zum Buch und den Quellen finden Sie hier
Die Presseerklärung des Verlages zum Danksagungsverbot können Sie hier lesen
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