(Wieder)Gelesen: Die Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt
Kaum eine/r aus meiner Generation, der nicht einen der Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt in der Schule gelesen hat, sei es nun „Der Richter und sein Henker“, „Der Verdacht“ oder „Das Versprechen“.
Bei mir war es „Der Richter und sein Henker“, der 1950 / 51 als Fortsetzungsroman und 1952 als Buch erschien. Ich erinnere mich kaum an die Lektüre, die ich meiner Erinnerung nach damals gar nicht so recht verstand, sondern vor allem an eine Abbildung der Schlusszene in der damaligen Rowohlt-Taschenbuchausgabe, die mich richtig abgestossen hat. Wie bei vielen anderen, in denen aus irgendeinem Grund eine Schullektüre keine Begeisterung erweckte, war das der Grund, warum ich das Buch Jahrzehnte nicht zur Hand nahm. Aber als nun im Januar diesen Jahres in Radio und Fernsehen anlässlich seines 100. Geburtstages an den Schweizer Autor erinnert wurde, bekam ich doch Lust, den Krimi mal wieder in die Hand zu nehmen. Und ich las ihn in einem Rutsch durch!
Der Richter und sein Henker
- Die Rowohltausgabe von 1979 ©Susanne Martin
- Eine der 14 Zeichnungen von Karl Staudinger im Buch zeigt das Mordopfer © Susanne Martin
- Die Schlusszene – das Bild, das mir nach der ersten Lektüre am stärksten in Erinnerung blieb © Susanne Martin
- Erinnern Sie sich auch noch an diese Anzeigen, die lange Jahre in fast jedem Rowohlt -Taschenbuch enthalten waren? © Susanne Martin
Vordergründig ist es ein klassischer Kriminalfall, in dem Kommisssar Bärlach den Fall des getöteten Polizisten Schmied aufklären soll. Aber, das merkte ich als Leserin schnell, Bärlach weiß schon rasch, wer den Mord begangen hat und nutzt dies für einen ganz persönlichen, raffinierten Racheakt an einem Mörder, mit dem er vor Jahrzehnten eine Wette abgeschlossen hatte, die er verlor. Während der Mörder Schmieds durch Bärlachs Intrige zum Henker wird, ist Bärlach der Richter, der für eine fragwürdige Gerechtigkeit sorgt.Es ist aber auch ein Roman, der die wirtschaftlichen und politischen Verquickung in der Schweiz und ihrer Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus kritisch darstellt: „Der Grund seiner Heimreise war nicht so sehr seine Liebe zu Bern, das er oft sein goldenes Grab nannte, sondern eine Ohrfeige gewesen, die er einem hohen Beamten der damaligen neuen deutschen regierung gegeben hatte. In Frankfurt wurde damals über diese Gewalttätigkeit viel gesprochen, und in Bern bewertete man sie, je nach dem Stand der europäischen Politik, zuerst als empörend, dann als verurteilungswert, aber doch begreiflich, und endlich sogar als die einzige für einen Schweizer mögliche Haltung; dies aber erst fünfundvierzieg.“ (S. 8)
Das Versprechen. Requiem auf einen Kriminalroman
Die Lektüre vom Richter und seinem Henker animierte mich, weitere Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt zu lesen und so nahm ich mir als nächstes „Der Verdacht“ vor. Auch dies ein schmaler, nur 154 Seiten starker Roman, der es in sich hat. Der Untertitel des Romans „Requiem auf einen Kriminalroman“, bezieht sich vor allem auf die Rahmenhandlung, in der der Ich-Erzähler, ein Autor von Kriminalromanen, nach einem Vortrag mit einem ehemaligen ranghohen Kriminalisten im Auto nach Luzern fährt. Während dieser Fahrt kritisiert Dr. H. nicht nur seine ungeschickte Vortragsweise, sondern auch, daß in Kriminalromanen stets die Verbrecher ihre Strafe fänden und das Märchen erzählt würde, Verbrechen lohnten sich nicht. Besonders erbost ihn, daß die Handlungen logisch aufgebaut würden – der Wahrheit sei mit Logik nur zum Teil beizukommen, allzu oft entschieden auch Zufall oder Glück zu Gunsten der Ermittelnden. Als Besipiel erzählt er dann von Kommissar Matthäi, der den Sexualmord an einem kleinen Mädchen aufklären soll. Der vermeintliche Täter, ein Hausierer, erhängt sich nachdem er ein Geständnis unterschrieben hat, das mit zweifelhaften Verhörmethoden zustande kam. Matthäi ermittelt weiter, besessen von dem Wunsch, den wahren Täter zu finden. Diese Besessenheit führt ihn ins Unglück und erst Jahre später kann Dr. H. durch einen Zufall den Mord noch aufklären. Auch dieser Krimi hat mich gefesselt, das Psychogramm eines Besessenen, der dem Täter eine Falle stellt, die jedoch nicht zuschnappt und daran zerbricht, hat mich ebenso berührt wie die Aufklärung.
Interessant ist auch das Nachwort, in dem Dürrenmatt auf die Geschichte der Verfilmung eingeht, zu der er die Vorlage lieferte und die er später zu diesem Roman umgearbeitet hat, der letztendlich ein ganz anderes Ziel hat als der Film.
Der Verdacht
Jatzt musste ich natürlich doch auch noch „Der Verdacht“ (erschienen1951 – 1952 als Fortsetzungsroman, 1953 als Buch) lesen, in dem ich erneut Kommissar Bärlach begegnete, der inzwischen todkrank in einem Berner Spital liegt und sich von einer Krebsoperation erholt. Er liest den Artikel über einen KZ – Arzt Nehle in der Zeitschrift Life, der dafür berüchtigt war, seine Opfer ohne Narkose zu operieren. Als sein Arzt Hungertobel, ein alter Freund Bärlachs, das Bild sieht, meint er, in ihm einen Komilitonen wieder zu erkennen, der heute als angesehener Kollege eine Klinik führt, in der vor allem die oberen Zehntausend, Schwerreiche, wie er sagt, führt. Aber Nehle gilt als tot. Trotzdem wird Bärlach den Verdacht nicht los, daß etwas nicht stimmt und lässt sich in das Krankenhaus für Schwerreiche einweisen.
Das war für mich der spannendste der drei Krimis – ich konnte ihn kaum aus der Hand legen. Auch hier geht Dürrenmatt mit der Schweizer Gesellschaft hart ins Gericht ebvenso wie mit dem Umgang des Landes mit dem Nationalsozialismus. Sicher habe ich viele Anspielungen nicht verstanden, aber den Grundton durchaus.
Friedrich Dürrenmatt war für mich eine echte Entdeckung – besser spät als nie! – seine kritische Betrachtung der Schweizer Gesellschaft und sein Humor haben mir gefallen. Und es steht noch das eine oder andere Theaterstück von ihm im Bücherschrank, das ich mir gelegentlich vornehmen werde!
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Hier können Sie einen schönen Beitrag über Friedrich Dürrenmatt nachhören – er hat mich zur Lektüre animiert!