Stuttgart liest Arno Geiger (2)
Um die geschichtlichen Themen im Roman „Unter der Drachenwand“ ging es bei zwei weiteren Terminen, die Arno Geiger bestritt: Im Hotel Silber diskutierte er mit einer Historikerin und einem Historiker über die unterschiedlichen Erinnerungskulturen in Österreich und Deutschland. Sehr schnell landeten die Diskutanten dann bei der Instrumentalisierung von Erinnerungskultur durch die Politik, die in Deutschland und Österreich ähnlich funktioniert. Einig war man sich auch darin, wie wichtig Geschichten sind, die die Erinnerung am Leben erhalten, wenn die Zeitzeugen einmal nicht mehr sind. Ein anregender Abend, von dem ich einiges mitgenommen habe.
Die Lesung der Briefe von Margots Mutter aus dem Bombeninferno von Darmstadt durch Rudolf Guckelsberger auf dem Weg hinauf zum Monte Scherbelino, gehörte zu den eindringlichsten Momenten des von Alexandra Birkert geführten historisch – literarischen Spaziergangs. Der Gegensatz zwischen dem strahlenden Herbstwetter und dem Grauen der Bombennächte hätte nicht größer sein können. Wir erfuhren außerdem viel über die Geschichte des Trümmerberges und auch Arno Geiger, der ebenfalls mit dabei war, genoss am Ende des Weges, nach einem weiteren eindrücklichen Leseabschnitt, den weiten Blick über die Stadt.
Den „Nebenhandlungen“ aus dem Roman widmeten sich 3 Veranstaltungen mit dem Sprecherduo Lilian Wilfart und Wolfgang Tischer: Während auf dem Schlossplatz die Abschlusskundgebung der Großdemonstration für den Klimaschutz stattfand, erklangen im Dorotheenquartier brasilianische Klänge und das zahlreich erschienene Publikum lauschte der Geschichte des Brasilianers.
Einen Tag später brachte das Duo dann die Briefe von Kurt an Nanni im Augustinum am Killesberg zu Gehör.
Den Abschluss dieser kleinen Lesereihe bildete dann eine Veranstaltung im Tiefbunker Feuerbach. Nachdem wir uns zunächst zum Hochbunker verirrt hatten, stiegen wir tief hinab unter die Erde. Unter der 1,70 m dicken Decke, zwischen den 1,60 m dicken Wänden lauschten wir gebannt der Lesung. Wolfgang Tischer las aus den Aufzeichnungen von Oskar Meyer, Lilian Wilfart aus den Briefen von Margots Mutter. Manch einer im Publikum war sicher froh, daß das Rumpeln, das durch die Decke drang nur von der Strassenbahn und nicht von Tieffliegern herrührte. Die Enge und Stickigkeit des Raums machte das, was die Menschen in den Bombennächten erlebten, plastisch. Aber auch das Schicksal von Oskar Meyer und seiner Familie entfaltete in dieser Umgebung eine besondere Wucht und so mancher im Publikum hatte am Ende dieser eindrücklichen Lesung Tränen in den Augen.
Weitere Berichte zu den Veranstaltungen des Lesefesitvals finden Sie auf der Aktionsseite „Stuttgart liest ein Buch“ und auf dem Blog Elsternest.