Dieses Buch stand in dem Regalteil, in dem die Titel stehen, die darauf warten, gelesen zu werden. Und weil ich gerade nicht so recht wusste, worauf ich eigentlich Lust habe, griff ich danach. Das Cover gefiel mir und schon der erste Satz „Unter dem Nebel lauerte das Wasser“ machte mir Lust, weiterzulesen.
Natürlich hatte ich vorher schon auch geschaut, worum es eigentlich geht in dem Buch. Der Verlag beschreibt das so: „In den idyllischen Elbauen im Wendland teilen zwei Paare Hof, Scheune und Kräutergarten – doch ihre einst enge Freundschaft ist zerbrochen. Thies und Sophie trauern um ihren Sohn Aaron, der unter ungeklärten Umständen ertrank. Allein mit ihren Schuldgefühlen müssen sie Tag für Tag Ingas und Bodos scheinbar perfektes Familienglück mit ansehen. Bis ein Jahr nach Aarons Tod eine Fremde in den Ort kommt und ans Licht bringt, was die vier Freunde lieber verschwiegen hätten.“ (© Hanser Verlag)
Schon mit dem ersten Satz baute sich in diesem Roman für mich eine Spannung auf, die mich bis zum Ende nicht mehr los ließ. Aus verschiedenen Blickwinkeln, hauptsächlich aus dem von 3 der vier Hauptpersonen, erschließt sich uns Lesenden ein familiäres Drama: Thies und Sophie, trauern um ihren Sohn Aaron und können nicht darüber sprechen, auch nicht darüber daß Aaron ein schwieriges Kind war. Er nahm ihre Liebe kaum an, war in der Schule auffällig und kam auch mit den Nachbarkindern nicht gut zurecht. Die Diskrepanz zum scheinbar idealen Familienleben ihrer Freunde mit zwei perfekten Kindern machte Thies und Sophie nicht nur neidisch, sondern führte auch zu großen Versagens- und Schuldgefühlen. Die Tatsache, daß nicht geklärt werden konnte, warum Aaron in der Elbe ertrank, erschwert es ihnen zusätzlich, zur Ruhe zu kommen. Daran und an der gegenseitigen Sprachlosigkeit droht ihre Ehe zu zerbrechen, auch das Verhältnis zu den einst engen Freunden ist gestört.
Inga und Bodo wiederum sind hilflos angesichts des Verlusts, den die Freunde erlitten haben. Thies und Sophie entziehen sich jedem Gespräch und daß sie beide Aaron nicht mochten, gestehen sie sich selbst kaum ein. Diese Unfähigkeit, einander offen zu begegnen, droht die enge Freundschaft, die die Paare seit Studienzeiten verbindet, zu zerstören.
Als dann Mara auftaucht, eine Fremde, die jedoch etwas zu suchen scheint, fühlen sich alle von ihr angezogen: Sophie und Inga wünschen sie sich als Freundin und Thies entwickelt noch ganz andere Gefühle für sie. Mara bringt, scheinbar unbefangen, eine neue Dynamik in die Beziehung der Freunde. Aber es wird irgendwann auch klar, daß sie ihre ganz eigenen Interessen verfolgt. Aus ihrer Perspektive lesen wir erst gegen Ende des Romans etwas, vorher lernen wir sie ausschließlich durch die Augen von Sophie, Inga und Thies kennen.
Es hat mir unheimlich gut gefallen, wie Kristina Hauff diese Geschichte erzählt. Durch die verschiedenen Sichtweisen tauchen wir tief ein in die Gedanken- und Gefühlswelt der beiden Freundinnen und in die von Thies, Gefühle, die sie sich kaum selbst eingestehen wollen, geschweige denn anderen. Manche Szenen werden zweimal, aus wechselnder Sicht, sozusagen über den Hof hinweg, erzählt. Durch diese Erzählweise und auch durch sehr dosiert eingesetzte Zeitsprünge erzeugt die Autorin eine große innere Spannung. Kurze eingestreute Szenen aus der Sicht von Jella, der Tochter von Inga und Bodo, von Edith, Ingas Mutter, und auch aus der von von Mara, steigern die Spannung zusätzlich, denn sie werfen ein anderes Licht auf Aarons Tod. Hier merkt man, daß Kristina Hauff unter ihrem Klarnamen Susanne Kliem Kriminalromane schreibt und sehr gut weiß, wie man einen Spannungsbogen aufbaut.
Aber auch ihre Landschaftsbeschreibungen sind atmosphärisch dicht und die Geschichte des Wendlands, die Zeit der Anti-Atomkraftbewegung, fügt sich nahtlos in die Handlung ein. Für die Recherchen zu ihrem Roman hat die Autorin einige Zeit in der Region verbracht und das merkt man ebenso wie die Tatsache, daß sie ausführlich in den Archiven zur Geschichte der Anti- Atomkraftbewegung und ihren Kampf gegen das geplante Endlager in Gorleben recherchiert hat.
Fazit: Ein fesselnder Roman über familiäre Verstrickungen, Schuld und Verlust. Er war ein großes Lesevergnügen für mich!
Hier können Sie ein Interview mit Kristina Hauff lesen
In diesem kurzen Video (1:47 Min.) erzählt Kristina Hauff, worum es geht in ihrem Roman
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