Dieser Thriller interessierte mich für meine Jurytätigkeit bei den Stuttgarter Kriminächten. Ich danke dem Kiepenheuer & Witsch Verlag für das Rezensionsexemplar.
Zunächst zum Inhalt. Der Verlag beschreibt ihn so:
Neu-Berlin, irgendwann in der Zukunft: Arkadis Arbeitgeber Rio ist darauf spezialisiert, Bestellungen per 3D-Drucker herzustellen und unverzüglich auszuliefern. Der Druck ist enorm: Sobald etwas geordert wird, egal ob Spielekonsole oder Zahnpasta, beginnt ein gnadenloser Wettlauf aller Lieferdienste um die schnellste Zustellung.
Die Fußsoldaten dieses brutalen Wettbewerbs sind sogenannte Bringer. Auf Hoverboards sausen Arkadi und andere Kuriere durch die Stadt und versuchen, die Konkurrenz mit allen Mitteln auszustechen.
Eines Tages bittet ihn ein Kollege, einen Auftrag für ihn zu übernehmen. Kaum hat Arkadi die Lieferung übernommen, muss er mitansehen, wie sein Kollege stirbt. Der junge Kurier gerät in einen Strudel von Ereignissen, aus dem er sich kaum mehr befreien kann: Arkadi soll seltsame Sonderaufträge ausführen und seine Chefetage interessiert sich plötzlich sehr für ihn. Kann er die mysteriösen Lieferungen zustellen, bevor ihn die Marketing-Drohnen der Konkurrenz aus der Luft holen? (© Kiepenheuer & Witsch)
Dies war der zweite Versuch, den ich mit dem Autor Tom Hillenbrand machte, mit einem früheren Thriller war ich nicht gut zurecht gekommen. Und leider ging es mir mit diesem Buch genauso. Nur dass es dieses Mal nicht daran lag, dass ich das Buch nicht verstanden habe, sondern dass es mir einfach zu dystopisch war. Dabei greift der Autor auch in diesem Roman wieder ein Thema auf, das wirklich relevant ist: Wohin führt uns unser hemmungsloser Konsum? In einer nicht näher bezeichneten Zukunft haben die Lieferdienste die Macht über die Warenproduktion übernommen: Sei verfügen über mehr oder weniger leistungsfähige 3D-Drucker, die Maker, die im Moment der Bestellung beginnen, das Produkt herzustellen. Während es heute darauf ankommt, als Logistiker sein Lager so zu befüllen, dass man stets lieferfähig ist, gibt es in dieser Zukunft gar keine Lagerhallen mehr, sondern es geht einzig und allein darum, am schnellsten zu produzieren und zuzustellen. Die produzierte Ware, die zu spät kommt, wird angeblich nachhaltig entsorgt, landet aber in Wirklichkeit in riesigen Müllhalden auf der ganzen Welt. Und unter den Lieferdiensten herrscht ein gnadenloser Konkurrenzkampf, ja, eigentlich ein Krieg.
Aus der Perspektive des Bringers Arkadi lernen wir die Schattenseiten dieser Konsumwelt kennen und tauchen ein in ein System, das skrupellos und brutal agiert. Arkadi ist überzeugter Bringer, er stellt die strengen Vorgaben des Konzerns, für den er arbeitet nicht in Frage und liest regelmäßig in den Schriften von Yamamoto, in der die drei Strategeme, die zur erfolgreichen Zustellung führen, beschrieben sind. Dass sein Vater noch in Läden einkauft und das System der Lieferdienste als Todeszuckungen des Kapitalismus bezeichnet, nimmt er ebenso hin wie die Tatsache, dass sein bester Freund einen Laden betreibt, in dem er alte elektronische Geräte verkauft und sogar repariert. „Bei uns gibt es Beständigkeit“, sagt der auf Seite 64 „Wir reparieren den alten Scheiß sogar.“ Arkadie stelt dennoch das System der Maker und Bringer nicht in Frage. Erst als er die Sonderaufträge ausführt beginnt er langsam zu erkennen, was es damit auf sich haben könnte und wie weit sein Konzern bereit ist zu gehen.
Das alles ist rasant erzählt, manchmal auch mit bissigem Humor. Trotzdem kamen mir weder die Figuren, noch die Welt, die Tom Hillenbrand entwirft, nahe – mir war das alles etwas zu holzschnittartig und irgendwie auch zu überzogen dargestellt. Aber damit liege ich vielleicht auch falsch, denn so wie sich die Welt in den letzten 25 Jahren verändert hat durch Internet und Digitalisierung mag es schon sein, dass wir schneller in einer Welt ankommen, wie sie Hillenbrand beschreibt.
Und so fällt mein Fazit sehr gemischt aus: Der Roman greift ein wichtiges Thema auf, hat mich aber in der Ausführung nicht überzeugen können. Das mag anderen Leser:innen aber ganz anders gehen!
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