Der Name Colonia Dignidad war mir zwar ein Begriff, aber was genau das eigentlich ist, wusste ich nicht. Nach der Lektüre dieses Romans, der zwar fiktiv ist, aber auf echten Schicksalen beruht, bin ich im Bilde!

Deutschland Anfang der 50er Jahre: Es ist ein heißer Sommer als die Freundinnen Ruth und Christa nach dem Kartoffelkäfer im nahen Fluß baden und Erich treffen, einen gut aussehenden jungen Mann, der mit einer Gruppe Freikirchler in der Nähe zeltet. Er lädt Christa und Ruth ein, doch einmal vorbei zu kommen. Das lassen sich die beiden Mädchen nicht zweimal sagen, schließlich passiert in dem kleinen Dorf in der Heide sonst nicht viel.

Zwar sind beide von Erich und dem Gründer der Freikirche, Paul Schäfer, fasziniert, aber während Ruth mit Skepsis den intensiven Predigten Schäfer’s folgt, ist Christa schnell in das Leben der Gruppe eingetaucht. Ihre Verliebtheit in Erich treibt sie immer tiefer in den Strudel aus religiösem Fanatismus. Zwar ist auch Ruth in Erich verliebt, verheimlicht das aber der Freundin und als Christa mit der Gemeinde das Heimatdorf verlässt,  kommt es zum Bruch zwischen den beiden Mädchen. Kurz bevor Christa mit Paul Schäfer und der Gemeinde nach Chile aufbricht, kommt es zu einem folgenschweren Treffen zwischen den einstigen Freundinnen…..

Dieser überaus spannende und berührende Roman erzählt ein vergessenes Stück deutscher Geschichte: Aus 3 Perspektiven erfahren wir, welch perfides und menschenverachtendes System Paul Schäfer in Chile aufgebaut hat: Ruth, die bis in’s Alter unter der Trennung von Christa leidet und sich vorwirft, nicht verhindert zu haben, daß Christa sich völlig aufgibt und ihr Leben in den Dienst einer radikalen Sekte stellt. Christa, deren Erlebnisse in kursiver Schrift von dem Leben in der Colonia erzählen und der es nicht gelingt auszubrechen, selbst als sie schon längst begriffen hat, daß sie und ihre Schicksalsgenoss/innen betrogen wurden.

Und dann ist da noch Ruth’s Tochter Anne, die 50 Jahre zufällig auf das Geheimnis der beiden Jugendfreundinnen stößt, das auch für ihr Leben von großer Bedeutung ist.

Wie kann es passieren, daß  Menschen sich völlig aufgeben und in eine Sekte begeben, in der sie nicht mehr sie selbst sind? Wie konnte es passieren, daß die Vorgänge in der Colonia Dignidad vom politischen Deutschland jahrzehntelang ignoriert wurden, obwohl man wußte, was dort vor sich geht? Können Menschen danach überhaupt noch ein freies, selbstbestimmtes Leben leben? Diesen Fragen geht der Roman nach – beantwortet werden nicht alle vollständig, aber die Lektüre hallt lange nach!