Vietnam – mir fallen da Wörter wie Vietcong, Saigon, Napalm, Demonstrationen oder der Film „Coming Home“ ein. Und Krieg natürlich – das vor allem. Aber dieses Wort ist doch irgendwie abstrakt und voller unterschiedlichster Möglichkeiten – das Buch von Karl Marlantes jedoch sorgt dafür, daß das Wort „Vietnamkrieg“ auf einmal sehr vorstellbar wird.
1969 kommt der 19 jährige Second Lieutenant Waino Mellas nach Nordvietnam in eine Stellung nahe der Grenze zu Laos. Hier soll er mit seiner Einheit einen Hügel, der „Matterhorn“ genannt wird (alle Hügel in der Umgebung wurden nach Schweizer Alpengipfeln benannt) zu einer Feuerunterstützung ausbauen. Kaum ist das geschehen, wird seine Kompanie abgezogen zu einem neuen Einsatz, nämlich zu versuchen, die Nachschublinien des Vietcong abzuschneiden. Nach diesem verlustreichen Einsatz kehren Mellas und seine verbliebenen Männer zurück zum Matterhorn, das mittlerweile besetzt ist von den nordvietnamesischen Soldaten, die von den Bunkern der Amerikaner gut geschützt sind. Der Befehl lautet: Rückeroberung…..
Auf 660 Seiten beschreibt Karl Marlantes den Irrsinn des Krieges. Im Mittelpunkt steht zwar der junge Lieutenant, der am Anfang eher unsympathisch gezeichnet wird, der aber im Verlaufe des Buches langsam an Format gewinnt und einen harten Reifeprozess hinter sich zu bringen hat. Überwiegend aus der Perspektive des „Fussvolkes“ erfahren wir, was der Krieg im Dschungel bedeutet: Blutegel, Schlafmangel, Dreck, Gestank, sinnlose Todesfälle ohne Feindberührung, totale Erschöpfung. Den Kontrast dazu bilden die höheren Ränge, die ihre Männer (Jugendliche könnte man sie auch nennen, denn sie sind gerade mal Anfang 20) immer wieder über das menschenmögliche hinaus fordern, dabei scheinbar jede Bodenhaftung verlieren und letztendlich dennoch in ihrer Strategie bestätigt werden. Der Krieg als eine Mischung politischer Intrigen, persönlicher Karrierewünsche und tragischer Schicksale – das arbeitet Karl Marlantes in seinem Buch meisterhaft hervor.
Ich war immer wieder versucht, das Buch zu beenden, habe mich gefragt, warum ich über 600 Seiten lesen soll, aber ich konnte nicht aufhören zu lesen und das lag an der Art, wie es dem Autor gelingt, einen zeitlich ganz kurzen Ausschnitt des Vietnamkriegs so aufzufächern, daß man das Gefühl hat, man ist dabei und kann das ganze Dilemma und die ganze Sinnlosigkeit ein kleines Stück weit miterleben. Ich habe mich nicht bemüht, die Gefechte bis ins letzte nachzuvollziehen – wer das möchte, kann das sicher tun. Aber es ist nicht nötig – was der Autor uns sagen will, das verstehen wir auch so.
Ein Anhang erklärt allen, die militärisch wenig Wissen haben, die wichtigen Begriffe, 2 Karten bieten den interessierten LeserInnen einen Überblick über die verschiedenen militärischen Bewegungen.
Ein lesenswertes Buch, das mich noch nach der Lektüre beschäftigt hat, für das man sich aber Zeit nehmen sollte!
Zum Roman gibt es auch eine Mikrosite mit weiteren Informationen zum Buch und Autor.
Einen kurzen Videotrailer zum Buch (englisch), in dem auch der Autor selbst zu Wort kommt, können Sie hier anschauen