Ich freue mich sehr, daß der Diogenes Verlag mich in seinen Verteiler für Rezensionsexemplare aufgenommen hat. Kam ich doch so in den Genuss einiger interessanter neuer Titel, die ich nun nach und nach lesen kann. Als erstes nahm ich mir diesen Roman vor, der von vielen Kolleg*innen sehr gerne empfohlen wird.

Der Inhalt

Ich greife gerne auf die, wir ich finde sehr treffende Inhaltsangabe des Verlages zurück:

„Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und legt Haiköder im Meer aus, um den Fang zu Gammelhai zu verarbeiten. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.“ (© Diogenes Verlag)

Meine Meinung

Die Inhaltsangabe lässt vielleicht vermuten, hier handele es sich um einen Krimi – dem ist jedoch nicht so, auch wenn Blut und ein verschwundener Mann durchaus eine Rolle spielen. Im Mittelpunkt steht Kalmann, dessen Leben durch den Fund der Blutlache aus den Bahnen gerät. Kalmann ist jedoch ein Mann, der intellektuell eingeschränkt ist, wie genau das bezeichnen könnte, geht aus dem Buch nicht hervor, er selbst sagt, er sei auf dem Niveau eines Erstlässlers. In einer Rezension wurde ein Vergleich mit Forrest Gump gezogen und das trifft es ziemlich gut. Eigentlich muss man es auch nicht genau definieren, denn Kalmann kommt im Großen und Ganzen recht gut zurecht. Er lebt alleine  in dem kleinen, abgelegenen Ort Raufarhöfn, ganz im Norden von Island, im Haus seines Großvaters, der inzwischen im Altenheim lebt und sein altes Leben langsam vergisst. Seine Mutter lebt in der nächsten Stadt ein gutes Stück entfernt von dem Ort, von dem sie sagt:“Am Ende der Welt links abbiegen!“ Seinen amerikanischen Vater hat er nie kennengelernt, seine Mutter nennt ihn nur den Samenspender. Aber er hat von ihm seinen Sheriffstern aus Amerika bekommen und den Revolver dessen Vaters geerbt. Kalmanns Großvater hat ihm beigebracht zu jagen und er fühlt sich in der Einsamkeit der Natur wohl. Er hat ein Boot, mit dem er regelmäßig auf`s Meer hinausfährt um seine Leinen zu kontrollieren, in denen sich hoffentlich ein Hai verfangen hat – Kallmanns Gammelhai ist der beste, den es in seiner Umgebung gibt. Abends schaut er mit einer Tüte Chips Fernsehserien oder chattet mit seinem einzigen Freund, einem Nerd aus Reykjavík.

Der Fund der Blutlache jedoch ändert dieses Leben. Sein Scheriffstern verpflichtet ihn, bei der Suche nach dem Verschwundenen Róbert McKenzie, um dessen Blut es sich zu handeln scheint, zu helfen. Immer tiefer tauchen wir ein in das Leben von Kallmann, lernen die Menschen seiner Umgebung kennen, von denen es nicht alle gut mit ihm meinen. Und langsam ahnt man, daß Kalmann vielleicht doch mehr weiß, als er selbst begreift.

Ich habe diese Geschichte gerne gelesen, Kalmann ist eine Figur, die mir mit der Zeit ans Herz gewachsen ist. Allerdings ging es mir wie schon öfter bei der Lektüre von Geschichten, die aus der Perspektive von Menschen mit Einschränkungen geschildert werden: Autor*innen stellen sich vor, wie ein solcher Mensch denken und handeln könnte, aber ob das wirklich realistisch ist, weiß niemand. Im Nachwort des Leseexemplars schreibt Jochaim B. Schmidt, daß er selbst eigentlich auch nicht genau weiß, was mit Kalmann los ist, daß er ihm viel näher ist, als man denkt und er sich wünsche, ein wenig mehr von Kalmanns Direktheit zu haben. Kallmann ist also ein erdachter Charakter ohne Vorbild mit Eigenschaften und Handlungsweisen, die ihm der Autor zugeschrieben hat. Darüber muss man sich beim Lesen klar sein.

Was ich jedoch wirklich super fand ist, wie es Schmidt gelungen ist, die Atmosphäre Islands einzufangen, die Natur und die Menschen in dem abgelegenen Landstrich zu beschreiben, in dem sein Kalmann lebt. Hier merkte ich, daß er schon lange in Island lebt und arbeitet, die Natur und die Menschen dort kennt. Es lohnt sich, auch einmal in seinen Blog hineinzuschauen: Raufarhöfn gibt es nämlich wirklich und der Autor beschreibt hier eine Exkursion dorthin in Wort und Bild.

Fazit: Ein spannendes Buch, erzählt aus der Perspektive einer speziellen Hauptfigur, das mir gut gefallen hat. Und ein Buch, das mir Lust gemacht hat, vielleicht doch einmal nach Island zu reisen, um die dortige Landschaft und Natur kennenzulernen! Und die Menschen natürlich auch.

Wenn Sie sich einen Eindruck vom Stil des Buches machen möchten, können Sie hier einen Blick in`s Buch werfen

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