Die Lebensgeschichte der Pauline Dubuisson ist voller Tragik: Mit 16 Jahren wurde sie am Kriegende als Kollaborateurin öffentlich geschoren, gedemütigt und vergewaltigt, weil sie ein Verhältnis mit einem deutschen Arzt hatte, mit dem sie als Hilfsschwester zusammenarbeitete.

Jahre später hat sie einen Neuanfang geschafft. Sie hat Medizin studiert und will heiraten. Ihr Verlobter hat keine Ahnung von ihrem Schicksal. Um ihn nicht zu hintergehen, erzählt sie ihm alles kurz vor der Hochzeit.
Seine Verachtung, seine Wut, seine Demütigungen, die sie unverhüllt treffen, bringen sie dazu, ihn im Affekt zu erschießen. Im Anschluss versucht sie, sich das Leben zu nehmen, wird aber gerettet, vor Gericht gestellt, entgeht knapp der Todesstrafe und wird zu lebenslänglich verurteilt, bei einer Generalamnestie aber nach Jahren der Haft entlassen.

Um neu anzufangen, geht sie als Ärztin mit geändertem Namen nach Marokko. Dort zum zweiten Mal vor die Wahl gestellt, zu heiraten, zu schweigen oder alles zu erzählen, offenbart sie sich trotz der Warnung ihrer Mutter ihrem Verlobten und erlebt die gleich Ablehnung und Verachtung. Noch einmal hat sie nicht die Kraft neu anzufangen und nimmt sich am 22.September 1963 das Leben.
Erschreckend ist die unversöhnliche, von Vorurteilen geprägte öffentliche Meinung in Frankreich über sie.

Pauline Dubuisson hinterließ Hefte mit Aufzeichnungen, die aber leider verloren gegangen sind. Der Autor Jean-Luc Seigle versucht, anhand der von ihm nachempfundenen Aufzeichnungen das überaus tragische Leben von Pauline Dubuisson aus ihrer Sicht neu zu erzählen und ihr endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Ein wunderbarer, wenn auch zutiefst erschütternder Roman, voller Empathie geschrieben. Ich konnte ihn nicht aus der Hand legen.

Eine Rezension von Barbara Scholz