Ich schätze die Bücher der Autorin Lizzie Doron sehr – es gelingt ihr immer wieder, auf wenigen Seiten komplexe Geschichten zu erzählen, die einen nicht so schnell los lassen. Ging es bisher vor allem um Geschichten des Holocaust und seiner Überlebenden oder der Kinder der Überlebenden, widmet sich das neue Buch der israelischen Autorin einen hochaktuellen Dauerthema: Dem Konflikt zwischen Israeli und Palästinensern.

2011 lernen sich Lizzie Doron und der palästinensische Journalist Nadim Abu Heni auf einer Friedenskonferenz in Rom kennen. Auf einer Podiumsdiskussion schildert Nadim, welche Hindernisse ihm in den Weg gestellt wurden auf dem Weg nach Rom. Auch Lizzie Doron kam zu spät, aber ihre Hindernisse interessieren weniger.

Dennoch sind die Beiden voneinander fasziniert und versuchen, miteinander in’s Gespräch zu kommen. Während ihnen das in Rom noch leidlich gelingt, wird es in Israel immer schwieriger, in Kontakt zu bleiben. Nadim hat kein Verständnis für Lizzie’s Probleme, von der Shoah will er nichts hören. Lizzie wiederum gelingt es kaum, sich den Geschichten Nadims zu entziehen, die ihn permanent in der Opferrolle darstellen und ihnen etwas entgegen zu setzen. Beide planen ein „Friedensprojekt“, für das sie auch internationeale Unterstützung erfahren: Nadim wird einen Film über ihre Freundschaft drehen, Lizzie ein Buch darüber schreiben. Aber dieses Projekt ist zum Scheitern verurteilt. Einen Film wird es nie geben und das Buch von Lizzie Doron kann nur als Roman erscheinen, in dem sie versucht, Namen und Personen so zu verfremden, daß sie nicht identifiziert werden können.

Wer wissen möchten, warum ein friedliches Nebeneinander von Palästinensern und Israeli kaum möglich sein wird, der sollte dieses Buch lesen. Der Autorin gelingt es, die tiefen kuturellen Unterschiede der beiden Bevölkerungsgruppen darzustellen, die einander mit völligem Unverständnis gegenüber stehen. „Who the fuck is Kafka“ fragt Nadim Lizzie nach einem Gespräch mit einer UN-Funktionärin, die wieder einmal nur Nadim zugehört hat und seine Geschichten ein um’s andere Mal mit „Kafka“ kommentiert.

Liest man eine Geschichte von Nadim, denkt man – ja genau, er hat völlig recht. Folgt man den Gedankengängen von Lizzie Doron, denkt man ebenso ja, sie hat völlig recht. Und in dem Moment erkennt man, daß alle Aktionen, seien es Konferenzen, Filme oder Bücher, so gut sie gemeint sind, so lange zum Scheitern verurteilt sein werden, bis die Menschen auf beiden Seiten bereit sind, einander zuzuhören und das Leiden der jeweils anderen Seite anzuerkennen.

Wie immer gelingt es Lizzie Doron, für diesen Konflikt eine Sprache zu finden, die nicht wertet, sondern es den  Leserinnen und Lesern überlässt, sich eine Meinung zu bilden. Und immer wieder blitzt der besondere Humor der Autorin auf.

Trotz aller Schwere: Spannende Lektüre, die einem vieles klar machen kann!