Es stand schon lange in dem Regalteil, in dem bei uns die Bücher stehen, die darauf warten, gelesen zu werden. Als ich neulich danach griff, war es reiner Zufall, daß das kurz vor dem Jahrestag des Atombombenabwurfs von Nagasaki war, dem 9. August 1945. Umso passender fand ich die Lektüre, als mir das bewusst wurde.

Der Inhalt

Sie verlor ihre Tochter an dem Tag, an dem die Bombe fiel. Ama hatte sich mit Yuko verabredet, um mit ihr über den Mann zu sprechen, den Yuko so liebte und Ama gleichermaßen verabscheute. Doch dazu kam es nie. Ama war zu spät – und ihre Tochter und ihr Enkel tot. Ama ließ Nagasaki hinter sich, wanderte nach Amerika aus, aber der Schmerz blieb. Nie konnte sie sich verzeihen, gab sich selbst die Schuld am Tod, ja sogar am Schicksal ihrer Tochter. Sie zog sich immer mehr zurück und lebte in ihrer eigenen Welt voll Trauer und Schmerz – bis ein junger Mann an ihre Tür klopft. Er sagt, er sei Hideo, ihr totgeglaubter Enkel. Zuerst will sie ihm nicht glauben, doch dann öffnet sie ihr Herz und lässt die Hoffnung herein … (© Limes Verlag)

Meine Meinung

Diesen Roman habe ich gerne gelesen, obwohl ich ja mit Büchern über oder aus Japan immer wieder meine Probleme habe. Bei diesem ging es mir nicht so. Das lag vielleicht daran, daß jedem Kapitel ein japanischer Begriff und dessen Erklärung vorangestellt sind, die in Zusammenhang mit dem jeweiligen Kapitel stehen und den Lesenden so auch einen Einblick in die japanische Mentalität geben. Vielleicht war der Grund aber auch, dass die Autorin Engländerin ist, die zwar lange in Japan lebte, das Land jedoch letztendlich als Europäerin erlebte. Das mag vielleicht einen Unterschied machen zu Romanen, die von japanischen Autor:innen geschrieben sind.

Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Ama, die den Verlust der Tochter nie verwunden hat und sich die Schuld daran gibt, weil sie als Treffpunkt einen Ort vorschlug, der im Zentrum der Zerstörung lag. Mit Ama erleben wir die Explosion der Bombe, die von den Einwohner:innen nur Pikadon genannt wird: Das Wort bezeichnet den Knall und das Aufblitzen des Lichts nach der Explosion. Und wir erleben die verzweifelte Suche nach Tochter und Enkel, bis das Unvermeidliche akzeptiert wird und sie mit ihrem Mann nach Amerika auswandert. Wir lesen aber auch, daß Ama mit dem Geliebten ihrer Tochter nicht einverstanden war und erleben ihre schwierige Kindheit und Jugend mit. Das alles erzählt Jackie Copleton nicht chronologisch, sondern sie schiebt die unterschiedlichen Rückblicke, teils in Tagebuch- oder Briefform, immer wieder zwischen die Handlungsebene der Gegenwart.

Am intensivsten war der Roman für mich dann, wenn es um den Abwurf der Atombe und die Tage danach ging und in den Szenen, in denen Ama sich fragt, ob sie dem Mann, der behauptet ihr Enkel zu sein, wirklich glauben kann. Das Ende des Romans fand ich sehr gelungen, denn es bleibt uns Lesenden überlassen, wie wir es interpretieren.

Was mich wieder einmal stört ist der deutsche Titel: Im englischen Original lautet er „A Dictionary of Mutual Understanding“ (Wörterbuch gegenseitigen Verstehens) und ist in meinen Augen sehr viel passender und vieldeutiger als der deutsche: Man kann ihn ganz einfach auf die den Kapiteln vorangestellten Worterklärungen beziehen, ich las ihn aber auch als Metapher für den Weg, auf den sich Ama macht, um ihre Tochter und ihre Handlungsweise besser zu verstehen.

Fazit: Ein spannender, gut zu lesender Unterhaltungsroman mit Tiefgang!

Hier können Sie einen Blick ins Buch werfen

Das Buch ist bereits 2017 erschienen und leider nur noch als E-Book erhältlich. Sie können es in den Onlineshops der beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen herunterladen. Die Links führn direkt in die jeweiligen Onlineshops.