Dieser Roman stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und nach Lektüre der Leseprobe hatte ich richtig Lust, das Buch zu lesen – nicht nur, weil der Sommer 1969 und die Mondlandung eine große Rolle spielen, sondern auch, weil mich die Leseprobe sofort in das Buch hineingezogen hatten.
Den 11jährigen Tobias und seinen Vater, ein Ingenieur verbindet die Faszination für die Raumfahrt und die Apollomissionen, die mit der Landung der ersten Menschen ihren Höhepunkt finden sollen. Tobias und seine Eltern wohnen in einem Vorort von Köln in einem Einfamilienhaus, seine Mutter ist Hausfrau – der Vater verdient genug, um die Familie ernähren zu können. In das Nachbarhaus zieht in diesem Sommer 1969 die Familie Leinhard ein, die ganz anders ist: Er ist Universitätsprofessor, sie arbeitet als freie Übersetzerin und ihre Tochter Rosa (benannt nach Rosa Luxemburg) ist nur wenig älter als Tobi. Aus einer Nachbarschaft wird eine Freundschaft, man grillt miteinander und schaut gemeinsam die Raktenstarts von Apollo 10 und 11 an. In der Nacht jedoch, als Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond setzt, gerät Tobis Welt aus den Fugen.
Diesen Roman habe ich sehr gerne gelesen. Auf gerade einmal 190 Seiten entwirft Ulrich Woelk ein vielschichtiges Bild der bundesrepublikanischen Gesellschaft Ende der 60er Jahre. Wenn Tobis Mutter mit ihm eine Jeans kaufen geht und zum Befremden ihres Sohnes überlegt, sich selbst eine zu kaufen, sich jedoch nicht traut, dann sagt das alles über die Rollenverteilung in der Familie. Mit dem Einzug der Familie Leinhard treffen Tobi und seine Eltern auf das exakte Gegenteil: Natürlich trägt Frau Leinhard Jeans und „eine luftige, bunte Bluse, um die sie einen breiten Ledergürtel geschlungen hatte“. Ihr Mann diskutiert gerne und Rosa ist antiautoritär erzogen. Das altkluge und frühreife Mädchen übt eine ihm unerklärliche Faszination auf Tobi aus. Gemeinsam hören sie Platten der Doors und Tobi versucht, ihr seine Begeisterung für die Weltraumfahrt schmackhaft zu machen. Rosa ist jedoch an ganz anderen Dingen interessiert, die Tobi gar nicht so recht einordnen kann. Auch die Erwachsenen kommen sich näher, Tobis Vater flirtet immer offener mit Frau Leinhard, während diese Tobis Mutter dazu animiert, auch als Übersetzerin zu arbeiten. Als sie tatsächlich einen Auftrag erhält, ist ihr Mann davon wenig begeistert.
Mir hat sehr gut gefallen, wie Ulrich Woelk das alles erzählt. Schon der erste Satz lässt uns wissen, daß diese Geschichte tragisch enden wird: „Im Sommer 1969, ein paar Wochen nach der ersten bemannten Mondlandung, nahm sich meine Mutter das Leben.“ Wir erleben die Geschehnisse aus Tobias Perspektive, der mit den Astronauten mitfiebert und gleichzeitig seine ersten körperlichen Erfahrungen mit Rosa macht. Unter Kapitelüberschriften wie „Am Stadtrand“, „Mädchen sind so“ oder „Krocket“ werden oberflächlich besehen harmlose Episoden erzählt, unterschwellig jedoch etwickelt sich langsam eine Spannung, die unerbittlich auf einen Höhepunkt zusteuert: Die Nacht der ersten Mondlandung. Diese Nacht verändert nicht nur die Welt, sondern auch die von Tobias, denn er ist derjenige, der sie, ohne es zu wollen, für immer verändert.
Fazit: Ich habe mich in den Beschreibungen der Apollomissionen, wie auch in vielen anderen Details dieses Romans sehr wiedergefunden. Ich bin nur 2 Jahre älter als der Autor, war ebenfalls begeistert von der Raumfahrt und habe die Stimmung dieser Zeit ebenso wahrgenommen wie Tobias: Ohne daß ich sie ganz begriffen habe, hat sie mich geprägt.
Vielleicht bin ich deshalb befangen und kann nicht abschätzen, wie der Roman auf Menschen der nachfolgenden Generation wirken mag – ich jedoch fand ihn richtig gut!
Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+Musik oder Vaihinger Buchladen bestellen oder downloaden. Die Links führen direkt in die jeweiligen Webshops.
Der Perlentaucher hat die wichtigsten Rezensionen hier zusammengefasst
Auf SWR 2 können Sie eine Rezension von Julia Schröder anhören
Hier können Sie einen Blick in’s Buch werfen