Doktor Claus Urspring erwacht in einem Krankenhaus – dass er Doktor Claus Urspring heißt, das weiß er zuerst nicht mehr, denn er lag nach einem Autounfall 10 Tage lang im Koma und leidet nun unter Gedächtnisverlust. Mit Hilfe einer Ärztin versucht er, sich zu erinnern – dieses Vorhaben jedoch wird im Laufe des Buches immer stärker torpediert von Julius März, dem politischen Berater von Urspring. Denn Doktor Claus Urspring ist der Ministerpräsident von Baden – Württemberg und demnächst beginnt der Wahlkampf. Da geht es nicht so sehr um eine nachhaltige Genesung, sondern vor allem darum, Urspring möglichst schnell fit zu bekommen für die zahlreichen Wahlkampfauftritte.
Da dieser nicht in der Lage ist, vernünftige Reden zu halten, übt die Redenschneiderin Hanna mit ihm wichtige Worte, nimmt zahlreiche Satzteile, Phrasen und von März geschriebene Sätze auf, die sie dann zu Reden zusammenschneidet und die dann als Playback zu Ursprings Lippenbewegungen eingespielt werden sollen. Da Urspring auch nur noch schlecht laufen kann, verfällt die Wahlkampfmanagerin auf die Idee, ihn zu den Auftritten mit dem Fahrrad anrollen zu lassen – das vermittelt ganz nebenbei nämlich auch noch die nötige Dynamik.
Aber Urspring weiß nicht so recht, was er von all dem halten soll – er wird mehr und mehr zur Spielfigur. Und Hanna und er kommen sich immer näher im täglichen Procedere der immer wieder neu aufzuzeichnenden Wort- und Satzfetzen. Die Suche der Beiden nach einem Schwimmbad, in dem Hanna einfach nur mal schwimmen will, führt schließlich zu einer Flucht, die tragisch endet.
Joachim Zelters Roman, der auch auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2010 stand, seziert das, was wir Politikbetrieb nennen. Durch die naive Perspektive von Claus Urspring, der sich an nichts erinnert, sondern erst einmal die Namen seines Kabinetts auswendig lernen muss, erleben wir die Selbstinszenierung der Politik. Ich konnte mir richtig vorstellen, wie Hanna aus den Sätzen des Ministerpräsidenten neue Sätze bastelt – die Reden oder Interviews, die man heutzutage zu hören bekommt, sind ja meist nicht besser. Die Gegenspielerinnen von Ursprings Berater Julius März, seine Ärztin, die ihm rät, zurückzutreten und Hanna, die ihre Aufgabe immer mehr zu hassen beginnt, haben keine Chance gegen März. Und auch Urspring selbst, der immer öfter beginnt, Fragen zu stellen nach dem Sinn seines Tuns bleibt eine Schachfigur, von der man annehmen muß, dass sie nach erfolgreicher Wiederwahl aus dem Spiel genommen wird.
So ist dieser Roman eine bitterböse Satire, die den tiefen Graben zwischen Machpolitikern und den Bürgern, für die sie eigentlich regieren sollten aufzeigt und damit den Nagel auf den Kopf trifft.
Im Januar 2011 stellte Joachim Zelter seinen Roman bei einer gemeinsamen Veranstaltung unserer Buchhandlung mit Kultur² im Bürgerhaus Lauchhau – Lauchäcker vor. Nach der Lesung konnte ich ein kurzes Gespräch mit ihm führen, das Sie hier anhören können
Ein Interview mit Joachim Zelter, das Wolfgang Tischer vom Literaturcafe geführt hat, können Sie hier anhören