Auf diesen Film, der auf einer wahren Begebenheit basiert, war ich echt gespannt und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht!
DDR 1956, noch gibt es keine Mauer, aber in den Berliner S-Bahnen in Richtung Westberlin wird inzwischen schon streng kontrolliert. Man muss eine gute Begründung haben, wenn man in Richtung Westberlin fahren möchte. Theo und Kurt haben das: Sie möchten das Grab von Kurts Opa besuchen, der gefallen ist. Und danach gehen sie in’s Kino. Dort sehen sie eine Wochenschau, in der über den ungarischen Volksaufstand berichtet wird. Die beiden Abiturienten sind elektrisiert und erzählen in der Klasse darüber. Natürlich wird in der DDR ganz anders über den Aufstand berichtet und so beschliessen die Jugendlichen, bei Edgar, dem schwulen Großonkel ihres Klassenkameraden Paul, heimlich RIAS zu hören. Als sie dort vom Tod hunderter Aufständischer erfahren, unter Ihnen auch ihr Fußballidol Puskás, sind sie erschüttert und Kurt schlägt vor, eine Schweigeminute abzuhalten. Alle Schüler*innen sind einverstanden, nur Erik, der Sohn eines umgekommenen Rotfrontkämpfers, ist dagegen und als der Lehrer, in dessen Unterrichtszeit die Aktion fällt ihn fragt, gibt er zu, daß es sich um eine politische Aktion handelt. Dies setzt eine Untersuchung in Gang, die am Ende dazu führt, daß die ganze Klasse der Schule verwiesen wird.
Kurt (Tom Gramenz) und Theo (Leonard Scheicher) sind beste Freunde seit ihrer Kindheit. Kurt’s Vater (Max Hopp) ist ein linientreuer Parteigenosse, der es nicht verwinden kann, daß sein Schwiegervater bei der Waffen SS war und sein Frau (Judith Engel) deswegen ständig mit Vorwürfen überhäuft. Kurt leidet unter der Passivität seiner Mutter und versucht, nach seinen eigenen Vorstellungen zu leben. Theo ist das, was man einen Leichtfuß nennen könnte, er ist fröhlich und charmant, hat eine Freundin (Lena Klemke). Sein Vater (Ronald Zehrfeld) war am Aufstand des 17. Juni beteiligt, darf sich aber als Stahlarbeiter bewähren. Im Gegensatz zu Kurt nimmt Theo vieles auf die leichte Schulter. Als es darum geht, bei der Untersuchung, die von der Kreisschulrätin Kessler (Jördis Triebel) geleitet wird, eine einheitliche Aussage zu machen, schlägt er vor, nur auszusagen, daß die Schweigeminute dem Tod des Fussballers Puskas gegolten habe – als darüber abgestimmt wird, ist eine knappe Mehrheit dafür. Das scheint zu funktionieren, aber dann schaltet sich der Volksbildungminister (Burghart Klaußner) ein und verlangt, den Namen des Rädelsführer zu nennen.
Jetzt beginnt die Situation sich immer mehr zuzuspitzen: Erik wird mit der wahren Geschichte seines Vaters konfrontiert, der nicht als Held gefallen ist, sondern als Kollaborateur hingerichtet wurde. Ihm wird angedroht, daß die Wahrheit über seinen Vater öffentlich gemacht wird und so verrät er nicht ur, wo die Jugendlichen RIAS hören können, sondern nennt auch Kurt als Rädelsführer. Als Erik danach im Schießunterricht einen Nervenzusammenbruch erleidet und seine Mutter mit dem Gewehr zwingt, ihm die Wahrheit zu sagen, können ihn Kurt und Theo zwar überwältigen, aber sie müssen dennoch eine Entscheidung treffen: Frau Kessler nämlich möchte nun Erik als Rädelsführer angeben und so die ganze Angelegenheit beenden. Aber Kurt möchte mit dieser Schuld nicht leben.
Ich war als Jugendliche oft in der DDR und deshalb hat mich dieser Film sehr interessiert. Und ich finde ihn außerordentlich gelungen. Es gelingt Regisseur Lars Kraume, die ganze Ambivalenz der Stimmung einzufangen. Was als wenig durchdachter Protest beginnt, hat schnell Folgen, die das ganze Leben der jungen Menschen verändern wird. Während der noch junge Direktor der Schule (Florian Lukas) die Sache nicht an die große Glocke hängen möchte, haben dienstbeflissene Lehrer das Ganze schon gemeldet. Für die Schüler*innen steht ihr Abitur auf dem Spiel: Ihre Klasse in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt, einer Stadt, die als Muster einer sozialistischen Arbeitersiedlung gebaut worden war steht unter besonderer Beobachtung. Die Eltern, die möchten, daß ihre Kinder eine bessere Zukunft haben als sie und setzen diese ebenfalls unter Druck, den Rädelsführer zu verraten. Aber die jungen Menschen entwickeln im Laufe der Zeit eine immer stärker werdende eigene Haltung und Solidarität untereinander. Besonders wird das an Theo sichtbar, der erkennt, daß er irgendwann mit seinen kleinen Lügen nicht mehr durchkommen wird und zu einer ernsthaften Persönlichkeit reift.
Diese Atmosphäre aus politischem Druck und Methoden, die denen der Gestapo in nichts nachstehen, ist beklemmend. Dabei ist es das große Verdienst der durchweg sehr guten Schauspieler*innen, daß sie dafür sorgen, daß auch die vermeintlich Bösen so dargestellt werden, daß man ihre Handlungsweise ein Stück weit nachvollziehen kann. Der Sozialismus erscheint den Vätern, Lehrern und dem Minister als einzige Möglichkeit, die Gräuel des dritten Reiches hinter sich zu lassen und eine bessere Welt zu schaffen. Daß sie dabei die Bedürfnisse junger Menschen ignorieren und sich außerdem exakt derselben Methoden bedienen wie die Nationalsozialisten, ist tragisch.
Fazit: Ein wirklich sehr empfehlenswerter Film, der ein Stück DDR-Geschichte zeigt, die wenige kennen. Auf der DVD sind noch Extras enthalten, z.B. eine Dokumentation über die historische Abiturklasse. Ein ausführliches Booklet informiert über die historischen Hintergründe.
Absolute Empfehlung!
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In diesem Video können Sie sich einen Eindruck verschaffen (4:32 Min)
Der Wikipediaeintrag informiert über Inhalt, Produktion und Rezeption des Films