Ich bedanke mich beim Gmeiner Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar dieses Kriminalromans zur Verfügung gestellt hat, so daß ich ihn im Rahmen meiner Jurytätigkeit für die Stuttgarter Kriminächte lesen konnte.
Ich erlaube mir wieder einmal, den Klappentext des Verlages zu übernehmen, der kurz und knapp zusammenfasst, worum es geht: „Hauptstadt Berlin nach der Wiedervereinigung. Weibliche Groupies scharen sich um die Politgrößen. Macht macht sexy. Kanzler Uwe Henning, in dritter Ehe verheiratet, scheint besessen von einer Geliebten. Das beängstigt Hennings alten Weggefährten Peter Sengelhoff. Der Präsident des Verfassungsschutzes fürchtet, dass die geheimnisvolle Frau seinem Kanzler gefährlich werden kann.“ (Text: Gmeiner Verlag)
Mich interessierte dieser Kriminalroman, weil er, laut Presseinformation des Verlages, Einblicke in die junge Berliner Republik geben sollte. Zugegeben, das tut er auch: Wir lernen einen Bundeskanzler kennen, der in einfachen Verhältnissen aufgewachsen ist und sich hartnäckig ganz nach oben gearbeitet hat. In dritter Ehe verheiratet ist er im Bezug auf die Frauen kein Kostverächter, aber das Verhältnis, das er zu Beginn des Romanes hat, ist anders: Anastasia ist eine Frau, die er seit seiner Kindheit kennt und in die er schon immer verliebt war. Sie gehört jedoch zu den Betuchten der Stadt, des Kanzlers Mutter war die Haushälterin, der Vater der Gärtner ihrer Familie. Und so ist Uwe Hennig auf eine ganz andere Art besessen von dieser Frau, als bei seinen sonstigen Geliebten, was seinen alten Weggefährten Peter Sengelff als Präsident des Verfassungsschutzes zutieft beunruhigt, denn seit Willi Brandt über seine Frauengeschichten stolperte ist die Behörde äußerst sensibel in dieser Hinsicht. Und wenn der Kanzler fällt, wird auch er fallen.
In mehreren Handlungsebenen lesen wir nun nicht nur, wie das Paar sein Verhältnis lebt, sondern auch, wie Sengelhoff versucht, diese Affäre unter der Decke zu halten, wie ein beauftragter Agent den Kanzler und seine Geliebte beschattet, ihm aber ein entscheidendes Detail fehlt und wie ein Reporter der Regenbogenpresse Witterung aufnimmt.
Das liest sich alles ganz nett, aber die Konstruktion fand ich nicht besonders fantasievoll, die Beschreibung der Beziehung des Liebespaares beschränkte sich in erster Linie darauf, wie Kanzler und Geliebte immer waghalsiger in den Orten ihrer Zusammenkünfte werden. Das hat mich irgendwann gelangweilt. Und zum echten Kriminalroman wird das Ganze erst im letzten Viertel des Romans.
Leider bleibt es eben auch nur bei oberflächlichen Einblicken in den Politikbetrieb, immer wieder wird uns Leser*innen auch ein Blick in das Leben des Jetset gewährt, aber all das bleibt ebenso eindimensional wie die psychologische Zeichnung der Figuren. Die Beschreibung der gegenseitigen Verachtung, die sich das Paar irgendwann entgegenbringt, das dennoch nicht voneinander lassen kann, ist etwas dünn und wiederholt sich.
Fazit: Diesen Kriminalroman kann man lesen, muss man aber nicht. Man merkt durchaus, daß die Autorin sich im Berliner Politikbetrieb auskennt und ihn in einer wöchentlichen Glosse auf’s Korn nimmt. Das ist ganz bestimmt auch die richtige Form dafür, für einen ganzen Roman hat es eher nicht getragen – da ist das, was wir zur Zeit in der Weltpolitik geboten bekommen, spannender.
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